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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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hing, von dem aus der junge bebrillte Mann, der sich Simon Peter II. nannte, etwas brüllte, das man glücklicherweise durch die Doppelfenster nicht hören konnte.
    »Was ist mit der Königin?«, unterbrach die Stimme der Kirchenministerin die Gedanken des Staatsministers.
    »Mit der Königin?«, fragte er, ohne den Kopf umzudrehen.
    »Ja, unter gewissen Umständen kann sie doch ein Gesetz verabschieden, ohne dass es zu einer Volksabstimmung kommen muss. Wenn die Situation noch brenzliger wird, muss sie doch eine Verfügung erlassen können.«
    Der Justizminister sah seine Kollegin mit kaum verhohlener Heiterkeit an.
    »Bevor es so weit kommt, werden wir den Ausnahmezustand ausgerufen und den Reichstag aufgelöst haben«, sagte er in herablassendem Tonfall. »Und selbst wenn es schlecht steht, so weit sind wir noch lange nicht.«
    »Das ist nicht der Kern der Sache«, murrte der Staatsminister irritiert, ohne die Augen von den Demonstranten und ihren Spruchbändern abzuwenden. »Die Königin ist die Letzte, die den Anspruch auf die Insel aufgeben will. Es ist ihr Nachruhm, von dem wir sprechen.« Er schüttelte den Kopf und wandte sich abrupt dem Justizminister zu. »Etwas ganz anderes, was ist aus der Suche nach dem kleinen alten Mann geworden?«
    »Das … ist nicht so leicht, wie man glauben sollte…« Die herablassende Miene wurde mit einem Schlag von einem unterwürfigen Lächeln abgelöst. »Es weiß ja niemand, wohin er gefahren ist. Überall ist nach ihm gesucht worden. Aber bei der Polizei sind noch immer keine brauchbaren Informationen eingegangen.
« Der Justizminister rieb nervös seinen Nasenrücken. »Heute ist mir jedoch zugetragen worden, dass Fischer an der altnordischen Küste des Öfteren ein Fischerboot beobachtet haben, das anscheinend dem ähnelt, auf dem Herr Odin gewohnt hat. Aber bis jetzt konnte die Polizei nicht bestätigen, ob es das Boot ist, nach dem wir suchen.«
    »Es kann doch nicht so schwer sein, ein kleines altes Fischerboot zu finden.« Der Staatsminister knackte ärgerlich alle Finger der linken Hand und ließ dann den Blick wieder zu den Spruchbändern auf dem Platz wandern: Befreit den Großen Mann aus Nordnorden! Krieg den ungläubigen Nordnordländern! Nur Verräter lassen die Nordnordländer davonkommen! Ihr seid nicht unsere Regierung, wenn ihr uns nicht verteidigt! Verteidigt Südnordens Ehre! Befreit den Großen Mann, befreit Bramsentorpf!
    »Befreit den Großen Mann!«, brüllte die Menge jetzt, und die Doppelfenster konnten die wütenden Stimmen nicht länger fern halten. »Befreit den Großen Mann!«
    Der Staatsminister wandte sich abrupt um. Sein Mund verzog sich heftig.
    »Hören Sie«, rief er. »Mir ist diese Insel gleichgültig. Mir ist der kleine alte Mann gleichgültig. Mir ist Nordnorden gleichgültig! Ja, mir ist auch dieser Bramsentorpf gleichgültig! Aber das, was mir nicht gleichgültig ist, sind die Wählerstimmen! Und eins kann ich Ihnen sagen. Wir werden im Frühjahr große Verluste zu erleiden haben, wenn wir auch nur versuchen, den Anspruch auf die Insel aufzugeben.« Der Staatsminister machte eine Pause und fuhr dann in kontrollierterem Tonfall fort: »Es ist mir gleichgültig, wie Sie das anstellen, Satellitenbilder, Überwachungsflugzeuge, das Heer, was weiß ich, aber eins ist sicher, ich will, dass der kleine alte Mann sofort nach Südnorden zurückkommt! « Er schlug mit der geballten Faust auf die Fensterbank, sodass eine der Topfblumen umfiel. Der Staatsminister hob sie nicht auf, sondern warf nur einen verächtlichen Blick auf die abgeknickte Blume und sah dann wieder zu den Demonstranten. »Darüber hinaus können wir nur noch eines tun.«
    Und da Diplomatie ist, was sie ist, wurde der südnordische
Botschafter in Nordnorden umgehend unter großem, öffentlichem Beifall nach Hause zurückbeordert. Und wenige Tage später verließ der nordnordische Botschafter Südnorden auf eine nicht weniger spektakuläre Abberufung hin.
     
    » Unser König ergiebt sich niemals. Es wirt einen Krieg geben« , las der Eremit am Rand des Frachtbuches.
    Es hatte keiner großen Überredungsversuche gebraucht, Benjamin Adelstensfostre dazu zu bewegen, Sigbrit Holland bei der Versendung des Briefes per Internet zu helfen, sodass sie nach nur einem Tag in Fjordenhavn mit dem Zug zurück zu dem grünen Fischerboot, das früher einmal grün-orange gewesen war, fahren konnte. Wie besprochen, war sie in einem zwei Tagesreisen – oder besser zwei Nachtreisen –

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