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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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hinauf.
    Sigbrit Holland half ihm, das Rettungsboot an Bord zu heben, dann setzte sie sich auf die Bank vor dem Steuerhaus und sah den Fischer an, der stumm das Boot festzurrte. Als er fertig war, setzte er sich neben sie.
    »Wir werden schon eine Lösung finden«, sagte er und legte den Arm um sie. »Auf die eine oder andere Weise werden wir eine Lösung finden.«
    »Da bin ich mir nicht mehr so sicher«, murmelte Sigbrit Holland mutlos. »Wir haben keinen Veterinär für Odins Pferd, und wir haben weder die Einfahrtroute noch die mystischen Kräfte ausmachen können, die auf der Insel walten. Wir haben nicht einmal mehr eine Idee, der wir nachgehen können.«
    »Nein, aber wir haben noch immer die beiden letzten Sprüche, und wir haben die Frachtbücher.« Der Fischer Ambrosius versuchte sie zu küssen, aber sie wich ihm aus.

    »Daran glaubst du ja nicht einmal selbst!« Sigbrit Holland stand auf und ging zur Reling steuerbord. »Wie viele Monate arbeiten wir jetzt daran, sechs, sieben, acht? Wir haben alles versucht, aber was haben wir gefunden? Nichts als ein paar dumme Sprüche von einem Abkommen, das überhaupt nichts bedeutet! « Sie unterbrach ihren Redefluss, um Atem zu holen. »Und es ist auch gleichgültig, was auf der Insel vor sich geht, denn wir haben die Einfahrtroute nicht gefunden, und ohne sie könnt ihr nicht zu der Insel kommen, da ihr nicht fliegen könnt. Deshalb sind wir gezwungen zu warten, dass irgendwann im nächsten Jahrtausend eine Brücke gebaut wird. Und während wir warten, nehmen alle möglichen Fanatiker unterschiedlicher Richtung unser Land auseinander, und wir stehen kurz vor einem Krieg mit unserem alten Feind und Nachbarn im Norden.«
    Der Fischer Ambrosius stand auf und ging zu ihr hinüber. »Komm«, sagte er. »Komm und sieh dir den Mond an.« Er nahm ihre Hand und führte sie nach achtern, weg von dem grellen Licht der Stadt in den bläulichen Schimmer des Mondlichts.
    Sigbrit Holland schüttelte sich; es war kalt. Sie lehnte sich gegen den Fischer und ließ es zu, dass sein Körper den ihren wärmte.
    »Sieh dir den Mond an, holde Frau«, sagte er. »Sieh ihn dir an.«
    Sigbrit Holland sah auf. Es war kein Vollmond, aber fast. Wie ein Versprechen von etwas Kommendem, dachte sie. Sie legte den Kopf zurück und betrachtete lange die funkelnde unvollendete Scheibe. Wenn sie vor zehntausend Jahren geboren worden wäre oder nur vor tausend oder zweihundert, wofür hätte sie den Mond dann gehalten? Für eine gefrorene Insel mitten im Nichts? Für ein Bündel einzelner Sterne, die zusammengeschmolzen waren? Für die Rückseite der Sonne? Für einen Teller aus Funken, der in einer Kutsche von einem weißen Pferd, das von Wölfen verfolgt wird, über den Himmel gezogen wird? Oder hätte sie ihn für das leuchtende fromme Gesicht Gottes gehalten, an den zu glauben sie nun einmal geboren war? Sie drehte sich abrupt zu dem Fischer um.
    »Ambrosius, was glaubst du, warum die Menschen Religionen haben?«

    Der Fischer strich ihr geistesabwesend über die Haare, während er über das Wasser sah.
    »Es ist wohl der Wunsch, ohne zu zweifeln an den Sinn des eigenen Lebens zu glauben«, sagte er leise.
    Sigbrit Holland dachte eine Weile darüber nach. Dann sagte sie: »Irgendwo in der Zeitung habe ich von einem Autor gelesen, der die Ansicht vertritt, dass es ohne Religion keine Moral gibt. Wenn er Recht hat, sind die Weltuntergangspropheten nur Menschen, die Angst vor einem Leben ohne moralische Werte haben. « Sie schwieg einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Aber vielleicht hat er ja Unrecht. Ja, er muss Unrecht haben, denn um ohne die Religion Recht und Unrecht zu definieren, braucht man eine sehr viel hochkarätigere Ethik.«
    »Holde Frau«, sagte der Fischer. »Versuch mal die Frage umzudrehen. «
    »Wie können ethische Werte existieren, wenn man nicht zweifelt? «, fragte Sigbrit Holland versuchsweise und nickte. »Ja, wenn man nur Regeln und Gewohnheiten annimmt, die von anderen festgesetzt wurden, und dann erklärt, dass die, die diese Regeln nicht befolgen, ungläubig oder unmoralisch sind.«
    »Der Zweifel ist die Tugend des Mutes, der Glaube die des Übermutes«, fiel Odins Stimme ein. Er war aus seinem Schlaf erwacht und hatte sich ihnen unbemerkt angeschlossen.
    Die Wellen schlugen leicht gegen die Seiten des Bootes, aber noch ein anderer Laut war zu hören.
    »Was ist das?« Sigbrit Holland erstarrte.
    Schweigend lauschten sie eine Weile. Langsam wurde der Laut

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