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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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«
    »Ich befürchte, dass die Öffentlichkeit nicht ein Problem darstellt, sondern zwei«, warf die Kirchenministerin ein. »Auf der einen Seite die Weltuntergangspropheten und auf der anderen die restliche Bevölkerung.«
    Sie saßen auf der Sofagruppe im Büro des Staatsministers. Es war spät, aber ihre Besprechung hatte gerade erst begonnen, und sie warteten noch auf den Justizminister.
    »Leider haben sie alle Stimmrecht«, sagte der Verteidigungsminister.
    Der linke Mundwinkel des Staatsministers verzog sich ein wenig.
    »Ja«, schnaubte er. »Aber schlimmer ist, dass beide Gruppen allmählich ein und dasselbe meinen. Wie viel so genannte restliche Bevölkerung gibt es heute eigentlich noch?«
    »Es gibt noch einige.« Die Kirchenministerin versuchte optimistisch zu klingen. »Es stimmt, dass einige unserer Landsleute auf den Das-Jahrtausend-ist-beinahe-vorbei -Nationalismus hereingefallen sind, aber ich bin überzeugt, dass sie ihre Aggressionen gegen unseren Nachbarn wieder auf dem Fußballplatz austragen werden wie in den guten alten Zeiten, wenn die Insel für unabhängig erklärt wird.«
    Der Staatsminister zog an seinem rechten Zeigefinger.
    »Aber die Weltuntergangspropheten«, fuhr die Kirchenministerin fort. »Die Weltuntergangspropheten werden ihren heiligen Krieg fortsetzen, ungeachtet des Status der Insel. Nur der Jahrtausendwechsel kann ihrem Feuereifer einen Dämpfer versetzen. «
    »Wir werden sehen«, sagte der Staatsminister mit plötzlich müder Stimme. »Sie dürfen nicht vergessen, dass immer ein neuer Jahrtausendwechsel bevorsteht!«
    Die Tür zum Büro des Staatsministers ging auf, und der Justizminister trat ein.
    »Es tut mir Leid, dass ich zu spät komme. Aber meine Leute
haben länger gebraucht als erwartet, um das hier fertig zu stellen. « Der Justizminister winkte mit einer grauen Mappe und zog vier Dokumente heraus. Er gab jedem der Anwesenden eins und behielt das letzte selbst. »Ich weiß sehr wohl, dass das absurd klingt«, er warf einen nervösen Blick auf den Staatsminister. »Aber es geht nicht.«
    »Was geht nicht?« Der Mund des Staatsministers verzog sich. Er überflog rasch die Notiz, während er mechanisch seinen rechten Daumen auf- und niederknickte. »Es muss doch einen Ausweg geben?«, fragte er und schlug leicht auf das Dokument.
    »Nein, wir sind in unseren eigenen Argumenten gefangen.« Der Justizminister rückte unruhig hin und her. »Wir haben offiziell Anspruch auf das Territorium erhoben. Wir haben mit spitzfindigen juristischen und historischen Argumenten nachgewiesen, dass die Drude-Estrid-Insel zum südnordischen Königinnentum gehört und immer gehört hat. Das heißt, dass die Insel nach südnordischem Gesetz genauso südnordisch ist wie jede andere der fünfhundert Inseln des Landes. Weder diese noch irgendeine andere Regierung kann ohne weiteres ein Stück ihres Territoriums für unabhängig erklären.«
    »Aber das sind doch nur Formalitäten«, protestierte die Kirchenministerin, während sie mit ihrem Armband spielte.
    »Bei den Formalitäten, von denen Sie sprechen, handelt es sich leider um die Verfassung des Landes. Wie aus der Notiz hervorgeht«, der Justizminister zeigte auf das Dokument in seiner Hand, »ist es laut Verfassung nicht möglich, die Insel ohne Volksabstimmung für unabhängig zu erklären. Und selbst wenn wir mit einigen juristischen und politischen Spitzfindigkeiten diese Forderung umgehen könnten, würde ein neues Gesetz notwendig sein, und Sie wissen genauso gut wie ich, dass es nur eines Drittels der Reichstagsmitglieder bedarf, um eine Volksabstimmung über ein neues Gesetz zu beantragen.« Der Justizminister schnaubte. »Zählen wir die Rechtsnationalisten zu dem Teil des linken Flügels hinzu, der mit Simon Peters Rebellion gegen die etablierte Kirche sympathisiert, haben wir weit mehr als ein Drittel. Und so, wie die Stimmung im Lande ist, wäre eine Volksabstimmung der reinste Selbstmord. Es ist absurd,
aber wir sind in unserer eigenen Argumentation gefangen.«
    Der Staatsminister stand auf und ging zum Fenster hinüber. Er sah auf die demonstrierenden Wiederauferstandenen Christen, die nach dem Brand der nordnordischen Botschaft wieder zu ihrem Platz vor dem Reichstag zurückgekehrt waren. Befreit den Großen Mann , stand auf einem Spruchband. Verteidigt Südnordens Ehre , stand in großen schwarzen Buchstaben auf einem anderen. Straft die Nordnordländer , verlangte ein drittes, das über einem selbst gebauten Podium

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