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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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neu und perfekt aussah, und legte alle, auch den dreizehnten, unbearbeiteten Stein, in die Badewanne, die er mit Wasser, Salz und übel riechendem Tang füllte – denn auch wenn man unbesiegbar ist, sollte man immer das Unvorhersehbare einkalkulieren . Dann fuhr der unbesiegbare Lennart Torstensson zum Bahnhof und kaufte sich eine einfache Fahrkarte für den Zug, der die Hauptstadt der Europäischen Bastion am Abend vor dem Weihnachtsabend verlassen und am Weihnachtsmorgen in Fredenshvile eintreffen würde, und dann ging es weiter zu einem etwas suspekteren Büro hinter dem Bahnhof, wo er einen gebrauchten, aber gültigen südnordischen Pass erstand.
     
    Fünf Tage vor Weihnachten – am vierten und letzten Sonntag im Advent – sprach der Staatsminister die letzte Warnung gegenüber der nordnordischen Regierung aus:
    »Wenn die nordnordische Regierung nicht bis zum Mittag des Weihnachtsabends Herrn Brams Bramsentorpf freigelassen und ihren territorialen Anspruch auf die Drude-Estrid-Insel aufgegeben hat, sieht die südnordische Regierung sich gezwungen, die Meerenge zu schließen und die Drude-Estrid-Insel unilateral zu südnordischem Territorium zu erklären.«
     
    Die Südnordische Luftwaffe toste auf der südnordischen Seite der Meerenge am Himmel, während die Nordnordische Luftwaffe
auf der anderen Seite durch die Schallmauer brach. Die stolzen südnordischen Marineschiffe liefen in den Häfen der Meerenge vor Anker, die Taucher legten Minen an strategischen Stellen, Kampfwagen zogen an der Küste auf, und das Heer exerzierte trotz Sturm und Regen Tag und Nacht. Alle Ferien- und Feiertage wurden gestrichen, die Reserve- und die Heimatschutztruppe wurde in höchste Bereitschaft versetzt. Die Warnsirenen des Landes heulten versuchsweise. Bis Weihnachten waren es noch drei Tage.
     
    »Die meinen es wirklich ernst«, sagte Sigbrit Holland fast widerstrebend, als die Jagdflieger vorbeigezogen waren und man wieder etwas hören konnte.
    »Ja, wir sollten sehen, dass wir loskommen.« Der Fischer Ambrosius schob den fast fertigen Ballonkanevas zur Seite. Er holte drei Tassen heraus, stellte sie auf den abgeräumten Tisch und goss Kaffee aus der Thermoskanne ein. »Wenn sie erst die Meerenge schließen, ist es aus. Dann kommen wir nirgendwo mehr hin.«
    Der Fremdling tauchte aus seiner Ecke auf, griff wortlos nach der vollen Kaffeetasse und verschwand wieder im Dunkeln. In dem Moment wurde die Tür geöffnet, und Odin und Harald Adelstensfostre stapften ins Steuerhaus.
    »Ich bitte um die Erlaubnis, die glückliche Mitteilung zu überbringen, dass der für die Luftverbindung bestimmte Korb parat zum Abflug ist«, sagte Odin zufrieden und setzte sich an den Tisch.
    Harald Adelstensfostre nickte, auch er war fertig. Der Fischer Ambrosius und Harald Adelstensfostre hatten den Ballon in alle Bestandteile zerlegt und alle Nägel und Metallteile durch Holzleisten und Schnürwerk ersetzt, während Sigbrit Holland den kaputten Ballonkanevas geflickt und Odin sich das Flechtwerk des Korbs vorgenommen hatte, in das sich Jahre und Feuchtigkeit hineingefressen hatten.
    »Dann fehlt uns nur noch die Eisenkugel.« Der Fischer Ambrosius drehte den Kopf in Richtung des rhythmischen Hämmerns, das aus der hinteren Schiffshalle kam; Gunnar der Kopf arbeitete noch immer.

    »Ja, und die Briefe von Odin.« Sigbrit Holland holte Briefpapier hervor und setzte sich mit dem kleinen alten Mann zusammen, um die Briefe zu formulieren, die sie den Entführern von Herrn Bramsentorpf sowie der südnordischen und nordnordischen Regierung – mit einer Kopie für die Presse – zukommen lassen wollte, sobald der Ballon in der Luft war.
    »Versprich uns, vorsichtig zu sein, holde Frau«, murmelte der Fischer bekümmert. »Es gibt bestimmt den einen oder anderen, der auf die Idee kommen könnte, dass du weißt, wie man zu der Insel kommt.«
    Sigbrit Holland nickte.
    »Es wird schon gut gehen«, sagte sie ruhig. »Schlimmer ist, dass wir nicht wissen, ob es wirklich funktioniert. Der Streit um die Insel wird dadurch ja nicht gelöst. Und es ist noch lange nicht sicher, dass die Weltuntergangspropheten den Briefen Glauben schenken.«
    »Was gläubige Leute glauben werden, lässt sich nicht vorhersagen«, sagte Odin leise und zog an seinem Bart.
    Der Fischer Ambrosius stand auf und sah aus dem Fenster, wo der Mann mit dem riesigen Kopf noch immer über der Eisenkugel schwitzte. Lange sah er dem monotonen Hämmern zu. Dann drehte er sich langsam

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