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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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um.
    »Wenn wir dich darum bitten, wirst du es dann lassen?«
    Sigbrit Holland schüttelte den Kopf.
    »Sie könnten dich umbringen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Sigbrit Holland leise.
    »Es kommt doch trotzdem zum Krieg! «, rief der Fischer Ambrosius plötzlich heftig. Dann senkte er die Stimme. »Du wirst dem ins Auge sehen müssen, holde Frau«, murmelte er und ging zu Sigbrit Holland und strich ihr zärtlich über das Haar. »Weder die südnordische noch die nordnordische Regierung ist bereit, Odins Insel aufzugeben. Nein, die alten Seeleute hatten schon Recht: Erwähne die Insel und die Hölle bricht los.«
    Mit einem Ruck hob Sigbrit Holland den Kopf.
    »Erwähne die Insel und die Hölle bricht los« , wiederholte sie. »Eine Insel ist eine Insel, bis sie nicht länger eine Insel ist. Natürlich! « Sie wirbelte herum und sah dem Fischer in die Augen.
»Wenn Könige ihre Namen auf Papier schreiben, schweigen die Untertanen still.«
    Der Fischer Ambrosius hustete. Er konnte ihr nicht folgen.
    »Verstehst du denn nicht, dass sich alles um die Absprache zwischen den Königen dreht?«, rief Sigbrit Holland begeistert. »Worin diese Absprache auch bestanden haben mag, sie ist nie aufgehoben worden, sonst würde man die Insel kennen.« Ihre Augen leuchteten eifrig. »Und ungeachtet des genauen Wortlauts kann kein Zweifel daran bestehen, dass beide Könige ihr Recht auf die Insel aufgegeben haben.«
    »Ja«, der Fischer nickte langsam. »Das ist wohl wahr. Aber du hast die Absprache noch immer nicht gefunden.«
    »Sie muss aber irgendwo sein.« Sigbrit Holland trommelte nachdenklich mit den Fingern auf den Tisch. Dann hatte sie eine Idee, und ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. »Und wenn ich mich nicht sehr irre, ist dieses Irgendwo die Bibliothek der Königin.«
    »Und wie willst du Zugang zur Bibliothek der Königin bekommen? «
    »Dazu brauche ich keinen Zugang«, antwortete Sigbrit Holland geheimnisvoll und lachte. »Hast nicht du selbst einmal vorgeschlagen, dass ich nur so tun müsse, als würde ich die Insel kennen, obwohl ich das damals nicht tat. Wenn der Königin nun zu Ohren kommt, dass ich eine Kopie der Absprache habe, dann…«
    Der Fischer Ambrosius lachte.
    »Holde Frau, für eine moderne Frau bist du ganz schön schlau«, sagte er mit Bewunderung in der Stimme.
    »Sobald ihr abgereist seid«, fuhr Sigbrit Holland fort, »bitte ich den Hofmarschall von Egernret, zur Weihnachtsaudienz der Königin eingeladen zu werden. Ich bezweifle sehr, dass der Hof mich abfertigen wird, wenn ihnen zu Ohren kommt, was sich in meinem Besitz befindet…«
    In dem Moment ertönte hinten aus der Halle ein lauter Ruf. Gunnar der Kopf war fertig und hob mit seiner Hand eine perfekte elliptische Eisenkugel hoch. Alles war bereit. Jetzt mussten sie nur noch warten, bis der Sturm abflaute, dann konnte der Ballon steigen.

     
    Aber der Sturm flaute nicht ab, eher im Gegenteil. Der Wind heulte von Nordwesten her, heftiger und eisiger als je zuvor. Die bleischweren Wolken jagten mit teuflischer Hast über den Himmel, ohne dass es geregnet hätte. Es war fast unmöglich, aufrecht zu gehen, und die wenigen Leute, die sich aus ihren Autos und Häusern wagten, eilten an den Mauern entlang, um so schnell wie möglich in die Geschäfte zu kommen, wo die letzten Weihnachtseinkäufe gemacht werden sollten. Es kam der Tag vor dem Tag davor, dann der Tag davor, aber noch immer toste der Sturm, sodass man kaum die Jagdflieger in der Luft kreisen hörte.
    Und spät am Vorabend des 24. Dezember, nachdem die gefällten Tannen in die südnordischen Heime gebracht und mit roten und goldenen Kugeln geschmückt worden waren, nachdem der Staatsminister seine von seinen jungen Beamten geschriebene Weihnachtsansprache vor dem Spiegel eingeübt hatte, in der er der Nation erklären wollte, dass sie sich nun im Krieg mit dem nordnordischen Königtum befand, nachdem der unbesiegbare Lennart Torstensson mit seiner eng an die Brust gepressten schweren trojanischen Tasche in der Hauptstadt der Europäischen Bastion in den Zug nach Fredenshvile gestiegen war, nachdem Simon Peter II. in einer letzten Radioansprache versucht hatte, die Seelen zu retten, die sich noch retten ließen, indem sie am folgenden Morgen mit allen übrigen Wiederauferstandenen Christen zum Hverv Strand kamen, nachdem der heilige Anders Andersen und die Lämmer des Herrn eine Pfeife mit heiligem Gras geraucht und ein gigantisches Opferfeuer entzündet hatten,

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