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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Licht der Ereignisse bin ich gezwungen zu beenden, was beendet werden muss.« Der Schmied sprach mit hoher zeremonieller Stimme und sah in dem ihn umgebenden Kreis feierlich von Gesicht zu Gesicht. »Nicht um unliebenswürdig zu sein, sondern weil es nicht zu übersehen ist, muss ich hiermit erklären, dass die alte Rikke-Marie, meine eigene ehrwürdige Mutter und die bisher älteste lebende Person in Smedieby und natürlich Posthusby, nicht zu vergessen, sich entschieden hat, über die Klippe des Lebens zu gehen.«
    Die Dorfbewohner sahen sich an und wiederholten die Worte des Schmieds.
    »Die alte Rikke-Marie hat sich entschlossen, über die Klippe des Lebens zu gehen!«
    Der Schmied wartete einen Moment, um sich zu vergewissern, dass alle die Wichtigkeit dieser Aussage verstanden hatten. Dann hob er beide Hände.
    »Lasst uns alle der alten Rikke-Marie eine gute Reise wünschen«, rief er und begann wild in die Hände zu klatschen. Fast unmittelbar schlossen sich die Dorfbewohner an, und Smedieby hallte von heftigem Applaus wider, der bis nach Posthusby und bis zum Ende des Sees zu hören war.
    Der Applaus hielt lange an, aber schließlich, nachdem alle Dorfbewohner rote Hände und warme Wangen vom Klatschen hatten, erstarb er langsam und fast widerwillig, und der Schmied konnte erklären, dass die Einwohner von Smedieby und natürlich von Posthusby, nicht zu vergessen, an diesem Abend, wenn sie Weihnachten feierten, auch die Reise der alten Rikke-Marie in die andere Welt feiern sollten.
    Nachdem sie der alten Rikke-Marie nun eine gute Reise gewünscht hatte, machten alle Dorfbewohner den Eindruck, als wären sie es zufrieden, zurück zu ihren üblichen Weihnachtsnachmittagsverrichtungen zu kommen, und nur Odin meinte, dass noch mehr zu sagen war.

    »Obwohl ich den Entschluss der alten Rikke-Marie ganz und gar respektiere, ist es doch mehr als traurig, dass sie ihn genau an diesem Tag getroffen hat und nicht einen einzigen Tag später«, sagte Odin und zog nachdenklich an seinem Bart. »Denn wäre sie nur einen Tag später über die Klippe des Lebens gegangen oder wäre ich nur einen Tag früher gekommen, hätte ich der alten Rikke-Marie die Antwort auf die Frage geben können, die sie mir nach Richard, dem Rotblonden, ihrem eigenen Vater, gestellt hat, bevor ich letztes Mal von hier fortgereist bin.« Odin legte seine Hand auf Ambrosius’ Arm. »Ja, wenn sie nur einen Tag später gegangen wäre oder die Luftverbindung nur einen Tag früher zu Stande gekommen wäre, hätte die alte Rikke-Marie den Enkel ihres Vaters, den Fischer Ambrosius treffen können, der gesund und rüstig und in eigener Person hier neben mir steht.«
    In eigener Person stimmte, aber gesund und rüstig war leicht übertrieben, da die nur mit Socken bekleideten Füße des Fischers Ambrosius zu schmerzenden steifen Klumpen gefroren waren, die er inzwischen kaum mehr bewegen konnte. Aber die Zeit war noch nicht gekommen, dass der Fischer Ambrosius sich um seine Füße kümmern konnte. Der Schmied war Odins Handbewegung mit den Augen gefolgt, und als würde er erst jetzt den dritten und bisher unbekannten Mann bemerken, veränderte sich sein Gesichtsausdruck von Neugier zu Verblüffung, bis sich schließlich ein breites Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Ohne jegliche Vorwarnung ging er auf den Fischer zu und nahm ihn mit solcher Wärme in den Arm, dass fast die Luft aus den Lungen des Fischers herausgepresst wurde.
    »Vetter Ambrosius!«, rief der Schmied, als er endlich den Fischer losgelassen hatte. »Vetter Ambrosius«, wiederholte er und trat ein paar Schritte zurück, um sein neues Familienmitglied näher zu betrachten. An der Familienähnlichkeit bestand kein Zweifel: das kantige Gesicht, das rotblonde Haar, die schmalen grau-blauen Augen, ganz zu schweigen von der brennenden Pfeife, die aus dem Mundwinkel des Fischers hing. »Vetter Ambrosius«, sagte der Schmied wieder. »Vetter Ambrosius«, wiederholte er immer wieder, als wolle er sich hier und jetzt und sofort
an den Namen seines neuen und ganz unerwarteten Verwandten gewöhnen, doch tatsächlich geschah es nur, weil er gerne den Eindruck erwecken wollte, dass es die natürlichste Sache der Welt war und dass er sicher damit gerechnet hatte, dass Herr Odin nicht nur den lange erwarteten und dringend benötigten Veterinär, sondern auch den eigenen Vetter des Schmieds, Ambrosius, vom Kontinent mitbringen würde.
     
    Es war bereits später Nachmittag und lange über die Zeit, zu

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