Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
Vom Netzwerk:
kleinen alten Mann empfanden.
    Sigbrit Holland wusste nicht, warum sie sich so für den Fall des kleinen alten Mannes interessierte, der sich – wie das Krankenhaus ihr erklärt hatte – Odin Odin nannte. Aber sie schien ihn nicht aus dem Kopf bekommen zu können. Sie musste sich einfach sicher sein können, dass es ihm gut ging, und als sie Neujahr herausfand, dass die Ärzte ihn in die geschlossene Abteilung
für Geisteskranke des Zentralkrankenhauses überführt hatten, fühlte sie sich gezwungen, einzugreifen. Zuerst versuchte sie erfolglos die Krankenschwester davon zu überzeugen, dass das ein Irrtum sein musste. Aber es stand der Krankenschwester nicht an, den Beschluss des Arztes zu ändern, und kein Arzt wollte ans Telefon kommen, um einen nicht beunruhigenden Fall mit jemanden zu diskutieren, der nicht mit dem Patienten verwandt war. Sigbrit Holland gelang es lediglich, die Krankenschwester zu überreden, im Zentralkrankenhaus anzurufen und ihr eine Besuchserlaubnis zu verschaffen.
    Im Zentralkrankenhaus musste Sigbrit Holland sich ausweisen, ein umständliches Formular ausfüllen und in einem Buch unterschreiben. Ein muskulöser, etwas schmutziger Krankenpfleger führte sie durch zwei geschlossene Türen und durch einen kahlen Gang zu Zimmer dreizehn, das Odin mit drei anderen Patienten teilte. Glücklicherweise befanden sich die anderen Patienten – mit Ausnahme eines sehr dünnen, sehr kahlköpfigen Mannes, der ganz still auf einem Stuhl in der Ecke saß – gerade in dem überfüllten Fernsehraum, an dem Sigbrit Holland vorbeigekommen war.
    Im Zimmer hing ein unangenehmer Geruch nach altem Schweiß und Desinfektionsmitteln, und einen kurzen Augenblick bereute Sigbrit Holland, dass sie gekommen war. Dann nahm sie sich zusammen, zog einen Stuhl zum Kopfende von Odins Bett und setzte sich. Sie sprach den kleinen alten Mann, der mit geschlossenen Augen auf der Bettdecke lag, leise an.
    »Odin. Odin, ich bin’s Sigbrit.«
    Sofort öffnete Odin die Augen und setzte sich auf.
    »Sigbrit Holland, fünfhundertvierzig, sechshundertvierzehn, vierundzwanzig. Guten Tag und willkommen«, sagte er und machte eine höfliche Verbeugung.
    Sigbrit Holland gab Odin die Hand. Dann fragte sie ihn, wie es ihm ginge.
    »Mir? Mir geht es wahrlich gut und besser als je zuvor. Aber, sehen Sie, mit Rigmarole sieht es anders aus, fürchte ich.« Odin zog mit den Fingern an seinem Bart und runzelte bei dem Gedanken an sein Pferd bekümmert die Stirn.

    »Rigmarole?«
    »Erinnern Sie sich nicht? Rigmarole ist dasjenige meiner Pferde, welches das Pech gehabt hat, sich ein Bein zu brechen, und jetzt können wir nicht weiterreisen, bevor Veterinär Martinussen nicht so nett war, das unglückselige Bein zu behandeln. «
    Sigbrit Holland hob die Augenbrauen.
    »Veterinär Martinussen?«, fragte sie, zum ersten Mal bereit, sich einzugestehen, dass die Ärzte vielleicht Recht haben könnten.
    »Ja, er, zu dem Sie mich gebracht haben«, beharrte Odin.
    »Sobald Veterinär Martinussen den Vorschriften Genüge getan hat, wird er mit mir zurück nach Smedieby zu Rigmarole reisen. Aber ich verstehe einfach nicht, was ihn so lange aufhält. «
    Sigbrit Holland trommelte mit den Fingern auf die Stuhlkante.
    »Smedieby?«, sagte sie versuchsweise. »Wo liegt Smedieby?«
    »Smedieby ist das bedeutendste Dorf östlich von Posthusby.«
    Sigbrit Holland schüttelte den Kopf, und ihre Finger tanzten noch schneller; sie hatte noch nie von einem der beiden Orte gehört.
    »Auf der Insel, ungefähr eine Tageswanderung über das Meer«, beharrte Odin.
    Sigbrit Holland schüttelte wieder den Kopf. Sie wusste genau, dass keine anderen Inseln als Urö in der Meerenge lagen, und auf Urö gab es kein Dorf, das Smedieby oder Posthusby hieß.
    »Sind Sie sicher, dass Sie nicht von Nordnorden hierher nach Südnorden gekommen sind?«, fragte sie.
    »Nordnorden?«, wiederholte Odin und zog nachdenklich an seinem Bart. »Ist das ein Teil des Kontinents?«
    »Nicht ganz«, sagte Sigbrit Holland. »Es ist das Land, das auf der anderen Seite der Meerenge liegt, nordöstlich von Südnorden. «
    Odin dachte kurz über diese Information nach, aber nein, er war sicher, dass die Einwohner von Smedieby und natürlich die Einwohner von Posthusby, nicht zu vergessen, nie einen Ort mit Namen Nordnorden erwähnt hatten. Aber sie hatten wahrlich
auch nicht erwähnt, dass der Kontinent sich Südnorden nannte. Mit einer Hand glättete Odin seinen bereits glatten Bart.
    Etwas war

Weitere Kostenlose Bücher