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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Polizei Odin sofort mit einer einfachen Fahrkarte zurückgeschickt hätte, hätte sie seine Herkunft aus einem Land südlich der südnordischen Grenze festgestellt. Aber die Polizei hatte bei ihrer Suche nach Odins Ahnen auch nicht mehr Glück als Sigbrit Holland, und auf Grund von Budgetbeschränkungen und dem daraus resultierenden Personalmangel wurde schnell beschlossen, die Sache zeitweilig auf sich beruhen zu lassen.
    Auch Sigbrit Holland musste sich ihre Niederlage eingestehen. Sie konnte nur eines tun: sich an die Presse wenden. Sie schob ihre Arbeit – und das schlechte Gewissen – für einige Stunden beiseite und verfasste einen kurzen Artikel über Odin. Sie erklärte, wie Odin am 24. Dezember auf einer scheinbar unbekannten Insel aufgetaucht und wie er am 26. über das Meer nach Südnorden gekommen war. Sie nannte den Ort, wo sie ihn getroffen hatte. Sie erstellte eine Personenbeschreibung, und sie schrieb, dass die Behörden sich weigerten, ihn aus dem Krankenhaus zu entlassen. Nach einiger Überlegung fügte sie Odins eigenen Bericht über sein Zuhause irgendwo mehrere Wochenreisen nördlich des Nordsterns hinzu, berichtete über die unspezifizierten Unheilsbotschaften, die er angeblich überbringen sollte, und darüber, wie er von einem Meteorsturm überrascht worden war, in dem sein Pferd Rigmarole sich ein Bein gebrochen hatte – vielleicht war das ein Schlüssel zu etwas, das sie
nicht verstand. Sigbrit Holland schickte den Artikel an eine überregionale Zeitung, aber es vergingen einige Tage, ohne dass er gedruckt wurde. Sie rief den Redakteur an, nur um zu erfahren, dass ein solcher Unsinn nicht gedruckt werden konnte; es handele sich schließlich um eine seriöse Zeitung. Sigbrit Holland wollte gerade sagen, dass Odins Geschichte genauso seriös sei wie das, was die Zeitung sonst brachte, dass es sich um eine Frage der Rechte des Einzelnen in Südnorden handele, aber der Redakteur hatte bereits aufgelegt. Anschließend versuchte sie es bei ein paar anderen Zeitungen und Fernsehanstalten, doch immer mit dem gleichen Resultat: Niemand war an Odins Geschichte interessiert.
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, beklagte sich Sigbrit Holland ungewöhnlich aufgebracht bei ihrem Mann. Odin war auf unbestimmte Zeit eingeschlossen, ohne die Möglichkeit Beschwerde einzulegen.
    »Worüber regst du dich so auf?«, lächelte Fridtjof. »Der arme Mann ist alt und senil. Er hat keine Familie. Eines Tages wirst du herausfinden, dass er die ganze Geschichte nur erfunden hat, um ein wenig Aufmerksamkeit und menschlichen Kontakt zu bekommen. « Fridtjof ging in die Küche und kam mit einem Glas Rotwein zurück. »Hier, trink das. Besser, du beruhigst dich ein bisschen.« Er reichte Sigbrit Holland das Glas.
    »Was meinst du damit, dass ich mich beruhigen soll? Ich kann doch nicht zulassen, dass so etwas jemandem passiert, den ich kenne!« Sie trommelte mit den Fingern der rechten Hand hart auf ihren Schoß.
    »Kennen und kennen. Gib es zu, du bist ihm auf den Leim gegangen. « Fridtjof lachte laut und trank von dem Glas, das Sigbrit Holland abgelehnt hatte.
    »Wie kannst du so etwas sagen? Du kennst ihn nicht einmal. Komm einmal mit, dann siehst du, was ich meine.« Sie erwähnte den Hauch von Zweifel nicht, der an ihr nagte.
    »Um Gottes willen, Sigbrit! Ich habe nicht die geringste Lust, meine Zeit mit so etwas zu vergeuden, und du solltest das auch nicht tun. Wann siehst du ein, dass du nicht für jeden einzelnen Verrückten, den du triffst, die Verantwortung übernehmen
kannst?«
    »Odin ist kein Verrückter! «, rief Sigbrit Holland böse. Sie lief die Treppe hinauf und knallte die Tür des Schlafzimmers hinter sich zu. Mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt holte sie Atem. Noch immer hörte sie Fridtjof lachen.
     
    Am nächsten Tag besuchte Sigbrit Holland Odin in ihrer Mittagspause. Sie hatte eine Idee. »Wie wäre es mit dem Internet«, sagte sie. »Durch die Bank, in der ich arbeite, habe ich Zugang dazu. Wenn ich Ihre Sache im Netz publik mache, finden wir vielleicht jemanden, der Sie aus dem Krankenhaus holen kann.«
    »Es ist ja nicht so, dass ich über die Behandlung auf dem Kontinent klagen will«, sagte Odin und zog an seinem Bart. »Aber ich bin wahrlich nicht wenig in Eile, und wenn Sie Veterinär Martinussen daran erinnern könnten, dass Rigmarole und das unglückselige Bein warten, und dass es am besten wäre, wenn er sich ein wenig mit den Vorschriften beeilen würde, wäre ich Ihnen im

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