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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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höchsten Grade dankbar.«
    »Natürlich«, antwortete Sigbrit Holland ein wenig zögernd, bevor sie mit festerer Stimme fortfuhr. »Wissen Sie, ob jemand Ihrer Freunde Zugang zum Internet hat?«
    »Internet, Internet«, wiederholte Odin und versuchte auszusehen, als hätte er wahrlich schon einmal von diesem Netz gehört.
    »Ja, das Computernetz, das die ganze Welt umspannt.«
    Odin zog und wrang seinen Bart, während er überlegte, welches spezielle Fischernetz für welche spezielle Art von Fischen von Smedieby über das Meer bis zum Kontinent und weiter um den Rest der Welt reichen könnte.
    »Nein, leider nicht, ich glaube nicht«, sagte er schließlich und schüttelte den Kopf. »Nein, alles in allem und in Anbetracht der Klippen glaube ich wahrlich nicht, dass das möglich sein könnte.«
    Sigbrit Holland seufzte.
    »Ich weiß nicht, was wir sonst tun können. Wenn Sie nicht hier herauskommen, können Sie dem Veterinär nicht den Weg zu Ihrem Pferd zeigen, und ich kann es nicht, weil ich nicht weiß,
wo Smedieby liegt. Lassen Sie es uns wenigstens versuchen.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Sehen Sie, wenn ich jemanden finden würde, der Smedieby oder Posthusby oder auch nur diese Insel kennt, würde das Ihre Geschichte bestätigen und die Ärzte wären gezwungen, Sie zu entlassen.«
    Da Sigbrit Holland Odin nicht entmutigen wollte, erzählte sie ihm nichts von den Anfragen der Polizei. Es bestand kein Grund, dass er wusste, dass er so, wie die Dinge standen, selbst dann, wenn er aus dem Krankenhaus herauskäme, sofort in Polizeigewahrsam genommen würde, bis seine Identität feststand.
    Sobald Sigbrit Holland zurück in der Bank war, schaltete sie den Computer ein und klickte sich ins Internet und gab Odins Geschichte ein. Wenige Minuten später war sie auf dem Weg hinaus in die Welt.
     
    Zuerst schien das Internet sich als Sackgasse zu erweisen. Am nächsten Morgen ging Sigbrit Holland zeitig zur Arbeit und überflog rasch die vielen Antworten. Es gab dutzende, manche moralisch aufbauend, andere von Selbsthilfegruppen für vermisste Personen, wieder andere waren rassistisch, andere religiös und andere obszön; keine enthielt auch nur einen Strohhalm, der es Wert war, danach zu greifen. Doch am späten Vormittag erhielt Sigbrit Holland zwei Anrufe. Der erste kam von einer Krankenschwester des Zentralkrankenhauses, die fragte, ob Sigbrit Holland etwas mit dem zu tun habe, was vor sich ginge.
    »Was vor sich geht…« Sigbrit Holland verstand nicht.
    »Ja, vor den Fenstern stehen viele Menschen. Und sie tragen Fahnen, auf denen alles Mögliche steht: Gebt Christus frei, Jesus Christus ist zurückgekommen, und Odin halt aus, wir wissen, wer du bist – wir sind gekommen, um unseren Herrn zu retten. Und sie singen Psalmen und so etwas. Es ist ein furchtbarer Krach!« Die Stimme der Krankenschwester bebte vor Wut.
    Natürlich würde die eine oder andere geistesgestörte Person die Dinge auf ihre Weise interpretieren. Warum hatte sie nur nicht früher daran gedacht?
    »Nein, es tut mir Leid, aber ich habe keine Ahnung. Ich weiß
wirklich nicht, um was es da geht.« Langsam breitete sich ein Lächeln auf Sigbrit Hollands Gesicht aus. Vielleicht war das gar nicht so dumm. »Nein, ich habe keine Ahnung, was da los ist.« Sigbrit Holland wollte sich gerade verabschieden, aber im letzten Moment fügte sie noch hinzu: »Hören Sie, Sie sollten besser aufpassen, vielleicht haben die Leute ja Recht!« Sie legte auf und lachte still in sich hinein. Jetzt würde sich die Presse bestimmt für Odin interessieren. Um sicherzugehen, griff Sigbrit Holland noch einmal nach dem Hörer und drückte die Nummer des überregionalen Fernsehkanals. Ohne ihren Namen zu nennen, schlug sie ihnen vor, zum Zentralkrankenhaus zu fahren.
    Einen Augenblick später schellte ihr Telefon.
    »Sie sollten mit Ambrosius sprechen«, sagte eine raue Männerstimme.
    »Mit welchem Ambrosius?«
    »Mit dem Fischer Ambrosius.«
    »Und was kann der Fischer Ambrosius mir erzählen?«
    Die Stimme zögerte, dann fuhr sie leise fort:
    »Er kennt die Insel.«
    Plötzlich richtete sich Sigbrit Holland auf und griff nach einem Bleistift.
    »Wo finde ich ihn?«
    »Auf einem Fischerboot im Firökanal. Es ist grün-orange.«
    »Aber an welchem Ende des Kanals liegt es?«
    »Es heißt Rikke-Marie. Sie können es nicht übersehen.«
    »Und Sie, wer sind Sie?«, fragte Sigbrit Holland, aber der Hörer am anderen Ende war schon aufgelegt worden.
    Der Fischer

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