Odins Insel
ältere Dame über ihren Kopf zu halten versuchte. Mit beiden Händen zog er seine Brille ab und legte sie in ein rotes Etui, das anschließend in seiner Brusttasche verschwand. Dann wandte er das Gesicht dem Himmel zu und ließ das Wasser in seine leidenschaftlich blinzelnden Augen und in seinen geöffneten Mund strömen. Der nicht länger bebrillte Mann stieß ein langes ekstatisches Heulen aus, und später erklärte er den anderen Frommen, dass ihm genau in diesem Augenblick seine wahre Identität enthüllt worden sei: Er war kein Geringerer als Simon Peter der Zweite.
Viele der Wiederauferstandenen Christen folgten dem Beispiel ihres selbst ernannten Anführers und standen bald bis auf die Haut durchnässt da, manche falteten nur die Hände und baten den Herrn um Vergebung; es war zu kalt.
Eine kleine Gruppe aus neun Männern mit schwarzen Hüten, wippenden Seitenlocken und breitrandigen Regenschirmen näherte sich jetzt dem Zentralkrankenhaus. An der Spitze des Aufmarsches, einen halben Schritt vor seinem Vater, marschierte mit andächtigem Gesichtsausdruck der junge Hesekiel, während
sein Bruder Esra mit demütigerer Miene an letzter Stelle ging. Die neun Männer mit den schwarzen Hüten blieben nicht stehen, als sie sich dem Parkplatz näherten, sondern drängten sich zielstrebig an den anderen Frommen vorbei bis zu der blauen Polizeiabsperrung am Krankenhauseingang. Die Stimme von Simon Peter II. war deutlich über der Menschenmenge zu hören, aber die neun Männer mit den schwarzen Hüten beachteten ihn nicht. Stattdessen schubsten und drängelten sie ein bisschen hier und ein bisschen dort, bis sie genug Platz für einen runden gewebten Teppich geschaffen hatten, den der Vater langsam und sorgfältig auf dem nassen Asphalt entrollte. Regenschirme schossen hervor, um den Teppich vor dem Regen zu schützen. Dann verbeugte sich Hesekiel feierlich, zog Schuhe und Strümpfe aus und trat auf den Teppich.
»Sprich zu uns, Hesekiel. Sprich zu deinem Vater, sprich zu deinen sechs Onkeln und sprich zu deinem Bruder.« Der Vater legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter und umarmte ihn aufmunternd.
Hesekiel fiel auf die Knie und faltete die Hände. Er schloss die Augen, hob sein angespanntes Gesicht zu dem Gewölk aus Regenschirmen und sagte nichts. Es vergingen mehrere Minuten. Hesekiels Vater sah seine Brüder an, die jede Minute, die verging, ungeduldiger und ungeduldiger wurden und immer weniger gottesfürchtig aussahen. Der Vater schnalzte nervös mit der Zunge, wagte jedoch nicht die heilige Konzentration des Sohnes zu stören. Dann, als die beiden ältesten Onkel sich irritiert zublinzelten, löste plötzlich eine riesige Wonne den verbissenen Ausdruck auf Hesekiels Gesicht ab. Hesekiel öffnete die Augen und sah seine Familie an, als sähe er nicht sie, sondern etwas ganz anderes, und als er zu sprechen begann, geschah es mit rauer fremder Stimme.
»Ich bin zu Hesekiel gekommen, um durch Hesekiel zu euch, zu meinem auserwählten Volk, zu sprechen. Das Ende des zweiten Jahrtausends naht für das verführte Volk. Der letzte Tag dieser Welt ist nahe. Am Jüngsten Tag werden die erlöst werden, die nach den Worten des ersten und einzigen Glaubens gelebt haben. Die werden erlöst werden, die ihren Schöpfer geehrt und
sich wie seine wahren Kinder verhalten haben, die, die auserwählt sind.« Hesekiel machte eine Pause und holte zischend Luft. Sein Vater strahlte und nickte aufmunternd. »Ich habe den Messias gesandt, um das Ende der Welt, die ihr kennt, anzukündigen und um die wenigen Auserwählten zu erlösen. Ich habe den Messias, den großen Mann, in der Gestalt eines kleinen alten Mannes gesandt. Ehre sei dem, der den Messias gegen die Ungläubigen verteidigt. Hört Hesekiel, dem Rechtschaffenen, zu, durch ihn will ich zu euch sprechen, zu meinem auserwählten Volk.« Hesekiel schloss die Augen, und langsam schwand die ekstatische Trance. Als er die Augen öffnete, hatte er wieder Ähnlichkeit mit seinem alten Selbst. Ja, natürlich wollte er durch Hesekiel sprechen, gluckste Esra vor sich hin. Zwei Abende hatte er gebraucht, um unter dem Bett ein Loch in die Wand zu bohren, das von seinem Zimmer zu dem Zimmer seines kleinen Bruders ging. Esras Gesicht strahlte mit dem des Vaters um die Wette. Was für ein Bruder, dieser Hesekiel; er hatte nicht ein einziges Wort vergessen!
Plötzlich wurde geschubst und gedrängelt, den Wiederauferstandenen Christen missfiel sowohl das Verhalten der Wiedergeborenen
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