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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Wasseroberfläche lag. Außer den Schaumspritzern der gegen die Klippen und das Fischerboot klatschenden Wellen lief kein Wasser in die Rikke-Marie. Und trotz der Wucht, mit der die Wellen gegen die Klippen schlugen, saß die Rikke-Marie so fest auf dem Stein, dass die Wassermassen sie offensichtlich keinen Zoll verrücken konnten.

    »Was für ein Schiff«, murmelte Sigbrit Holland und klopfte auf die alten grünen Planken, als wären sie ein Pferd. Dann rutschte sie das Deck hinunter zurück.
    »Kein Grund zur Sorge«, sagte sie. »Es wird Stunden, ja vielleicht Tage dauern, bis die Rikke-Marie kapituliert.«
    »Ich mag nicht segeln. Ich mag überhaupt nicht segeln«, jammerte Gunnar der Kopf.
    Der Fischer Ambrosius befand sich noch immer im Schockzustand und starrte nur leer vor sich hin, als Sigbrit Holland ihre Worte wiederholte. Sie zuckte mit den Schultern, ließ Odin das Blut von ihrer Stirn waschen und hob den Fotoapparat vom Boden auf. Er schien keinen Schaden genommen zu haben. Sigbrit Holland nahm ihn und ging erneut nach draußen. Dort suchte sie die Klippen ab, aber nicht der kleinste Lichtschimmer deutete darauf hin, dass sich etwas dahinter verbarg. Wieder und wieder suchte sie mit den Augen die Klippenreihe ab, doch sie war wie eine undurchdringliche Mauer. Enttäuschung überfiel sie: Das Boot war zerschmettert, und sie hatten ihr Leben riskiert, und wozu das alles? Vielleicht war dort wirklich nichts. Vielleicht hatten Odin und der Fischer Ambrosius sich alles nur ausgedacht; Zwangsvorstellungen, wie die Ärzte sagen würden. Sie konnte nicht einmal mehr den Rauch von vorhin sehen, und vielleicht war es ja auch nur der Dampf einer Fähre auf der anderen Seite der Klippen gewesen. Ein kalter Nieselregen begann zu fallen. Sigbrit Holland schloss die Augen; säße sie nur zu Hause in ihrem Büro und alles wäre wie immer. Wie war sie nur hier hineingeraten? Hatte sie nicht mehr als genug getan, indem sie Odin am ersten Abend ins Krankenhaus gefahren hatte? Der Nieselregen entwickelte sich zu einem ordentlichen Schauer, und Sigbrit Holland öffnete wieder die Augen. Schnell verschoss sie den restlichen Film in Richtung der Küste, die sie nicht sehen konnte. Dann ging sie hinein.
    Im Steuerhaus war es warm, und es roch nach frischem Kaffee. Der Fischer Ambrosius schien sich erholt zu haben, und auf die ein oder andere Weise war es ihm gelungen, die Heizung in Gang zu bringen.
    »Wir können wohl alle etwas Stärkendes gebrauchen«, sagte
er und stellte eine Flasche Schnaps auf den Tisch neben die Kaffeekanne. »Hier.« Er reichte Sigbrit Holland ein verblichenes grünes Handtuch. »Gucken Sie mal in die Kiste unter unserer Koje.« Er zeigte auf die schmale Leiter, die in das Innere des Fischerbootes hinunterführte. »Da finden Sie trockene Kleidung.«
    Sigbrit Holland kletterte die Leiter hinunter, zog ihre tropfnassen Sachen aus und nachdem sie sich trocken und warm gerieben hatte, schlüpfte sie in etwas Trockenes. Alles war ihr zu groß, aber besser als nichts. Sie kletterte die Leiter wieder hinauf und setzte sich an den Tisch. Der Fischer Ambrosius zog sich einen Regenmantel an und ging hinaus, um eine Notrakete abzufeuern.
    »Jetzt können wir nur hoffen, dass jemand auftaucht«, sagte er, als er zurückkam.
    »Es gibt wahrlich kein Unglück, dem ein wenig Glück nicht abhelfen kann«, bemerkte Odin und klopfte auf die Brusttasche mit dem Hufeisen.
    »Ja, es ist erst halb zwölf«, stimmte Sigbrit Holland zu. »Es bleibt noch mehr als ein halber Tag, bis es dunkel wird, und bis dahin wird uns wohl jemand gefunden haben. Hier draußen auf der Meerenge ist doch viel Verkehr, nicht wahr?«
    Der Fischer Ambrosius antwortete nicht. Er starrte sie nur mit einem merkwürdig abwesenden Licht in den Augen an, als dächte er an etwas ganz anderes und hätte nicht gehört, was sie gesagt hatte. Nach einer langen Pause sagte er leise:
    »Holde Frau, für eine Frau aus der Stadt sind Sie gar nicht so dumm.«
    Er strich sich mit den Fingern durch das feuchte Haar und zündete seine Pfeife an. »Aber sagen Sie uns einmal, was Sie veranlasst hat, sich für ein Leben in der Bank zu entscheiden?«
    »Irgendetwas muss man doch machen«, sagte Sigbrit Holland schnell, und in dem Moment, in dem sie es sagte, wusste sie, dass es stimmte. Jemand musste doch ausländische Währungen kaufen und verkaufen, sonst brachen die Märkte zusammen. Das sagte sie dem Fischer.
    »Und wenn das so wäre?«, antwortete er.

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