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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Laust es tat, wenn es gute Nachrichten gab. In dem Augenblick fiel ihm etwas ein, das er den Fischer Ambrosius schon lange hatte fragen wollen.
    »Familientradition«, antwortete der Fischer. »Rikke-Marie hieß das Boot unseres Vaters, und davor hieß das Boot unseres Großvaters Rikke-Marie.« Er hustete. »Es besteht kein Grund, mit der Tradition zu brechen.«
    »Sehen Sie, dann gibt es die Rikke-Marie und die alte Rikke-Marie! « Odin spielte mit seinem Bart und dachte an das Versprechen, das er der alten Dame an dem Abend gegeben hatte, bevor er Smedieby verlassen hatte. »Entschuldigen Sie, dass ich mir die Freiheit nehme, aber kennen Sie vielleicht einen Mann mit Namen Richard, der Rotblonde?«

    Der Fischer Ambrosius drehte den Kopf und sah Odin lange verwundert an.
    »Was wissen Sie von Richard, dem Rotblonden?«, fragte er langsam.
    »Richard, der Rotblonde, ist wahrlich der Vater der alten Rikke-Marie«, sagte Odin und erzählte dem Fischer, wie sich Richard, der Rotblonde, in seiner Jugend von der Mutter der alten Rikke-Marie verabschiedet hatte, um zu beweisen, dass er den Seeweg zum Kontinent gefunden hatte, und dass er nie mehr zurückgekommen war.
    »Wir haben nie … «, murmelte der Fischer Ambrosius und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Nein, wir haben nie …«
    Eine Klippe erhob sich schroff vor Sigbrit Hollands Linse, und sie nahm den Fotoapparat von den Augen. Doch es lag nicht an dem Zoom. Sie waren den Klippen zu nahe gekommen.
    »Passen Sie auf!«, rief sie, aber es war schon zu spät.
    Ein lauter Knall ertönte, das Boot schaukelte heftig, und alle bis auf den Fischer fielen auf den Boden. Der Motor ging aus, und auf einmal hörte man nur noch das Rasen der Wellen.
     
    »Ich mag nicht segeln. Ich mag überhaupt nicht segeln!« Gunnar der Kopf rieb sich die linke Schulter und kroch zurück in seine Ecke, während der Fremdling ohne ein Wort oder eine Geste und ohne ein einziges Mal den Gesichtsausdruck zu verändern wieder seinen Platz ihm gegenüber einnahm. Sigbrit Holland erhob sich langsam, dann half sie Odin auf die Beine. Sie blickte aus dem Fenster. Die Klippen hielten das Boot in einem Winkel von ungefähr zwanzig Grad über der Wasseroberfläche fest. Im Kiel musste ein großes Loch sein, durch das jetzt das Wasser hereinströmte, und es war nur eine Frage der Zeit, wann die Rikke-Marie zu schwer sein würde, um sich auf der Oberfläche zu halten.
    »Es gibt kein Unglück, dem ein wenig Glück nicht abhelfen kann«, sagte Odin ruhig und drückte die Hand auf die Tasche mit dem Hufeisen.
    »Ambrosius, wir müssen etwas tun«, sagte Sigbrit Holland, doch der Fischer stand bewegungslos da, die Augen an der
Klippe vor dem Boot festgefroren und die Hände so fest um das Ruder geschlossen, dass die Knöchel ganz weiß waren.
    »Ambrosius!« Sigbrit Holland griff nach dem Arm des Fischers, aber er blinzelte nicht einmal.
    Sigbrit Holland fluchte leise; das war genau der richtige Zeitpunkt, um einen Schock zu bekommen.
    »Entschuldigen Sie, aber ich fürchte wahrlich, dass Sie an der Stirn bluten.« Odin zeigte bekümmert auf Sigbrit Hollands Stirn.
    Sie hob die Hand und spürte die dicke Flüssigkeit. Es musste passiert sein, als sie sich den Kopf am Fensterrahmen gestoßen hatte. Sofort wurde sie ruhig. Sie wischte das ärgste Blut mit dem Handrücken ab, zog Schuhe und Strümpfe aus und befestigte eine Sicherheitsleine am Ring ihrer Rettungsweste.
    »Behalten Sie mich im Auge. Wenn ich um Hilfe rufe, soll Gunnar der Kopf mich zurückziehen«, sagte sie zu Odin und öffnete die Tür.
    Das Deck war nass und rutschig. Sigbrit Holland musste die Zehen in die Spalten zwischen den Planken stecken, um nicht zu fallen. Eiskalte Wellen leckten über den Bootskiel, das Deck hinunter und über ihre Füße, und der Wind tobte zwischen den Klippen und schien sie von allen Seiten zu treffen. Sie griff nach der Reling und klammerte sich daran fest, während sie über das abschüssige Deck eher kroch als ging. Das Wasser hämmerte mit einem ohrenbetäubendem Lärm unerbittlich gegen den Rumpf der Rikke-Marie, und Sigbrit Holland hatte Angst, das Boot könnte jeden Augenblick auseinander brechen. Doch sobald sie weit genug herausgekommen war, um den Schaden in Augenschein zu nehmen, atmete sie erleichtert auf. So weit sie sehen konnte, war das Loch im Kiel nicht viel größer als ein Badeball, und die seltsam geschichtete Klippenformation hatte das Boot hochgehoben, sodass die Öffnung jetzt über der

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