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Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Titel: Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Die vom Herrenhof und vom Dorf hielten sich zurück. Sie waren auch in der Minderheit. Vom Castell schien überhaupt niemand da zu sein. Darauf kam es allerdings auch nicht an. Die außerordentliche Gerichtsversammlung, die ich gleich vorschlug, wurde durch unsere Anwesenheit in den Rang einer Hofgerichtsverhandlung gehoben, denn wir handelten ja ad vicem nostram . Ein solches Gericht kann notfalls auch ohne Zuhörer stattfinden.
    Der Graf hatte damit gerechnet, dass wir den Fall gleich verhandeln würden und deshalb vorgesorgt. Die Anklage war schon erhoben. Nachdem Hrotbert die Tote geehrt und sich bekreuzigt hatte, war ihm ein Blatt Pergament überreicht worden, das er mir nun in die Hand gab. Arnfried, der alte Gutsverwalter, der Onkel Mommos und Hauks, bezeichnete einen „Herrn Chramn Scop aus Francia“ des Verbrechens an seiner jungen Verwandten. Da Hrotbert nicht lesen kann, hatte er sich von seinem Kanzleivorsteher über den Inhalt des Schriftstücks unterrichten lassen.
    Nichts war mir lieber, als dass wir gleich zu Gericht saßen. Die Stimmung nicht nur der Zuhörer, sondern auch des Grafen und seiner Berater schien dem Sänger günstig zu sein. Ich bin auch der Meinung, dass es der Wahrheitsfindung nur zuträglich sein kann, wenn ohne langes Zögern verhandelt wird. Eine frisch unter dem Eindruck der Untat vorgebrachte Anklage und Verteidigung ist meiner Ansicht nach ehrlicher und glaubwürdiger als eine nach endloser Verschleppung des Verfahrens im Abstand von Monaten ausgeklügelte. Wie oft muss man sich dann auf Gottesurteile verlassen!
    Die Gerichtsverhandlung, die nun folgte, mein lieber Volbertus, nahm einen so ungewöhnlichen Verlauf, dass ich es kaum erwarten kann, in meiner Erzählung auf die entscheidenden Ereignisse zu kommen. Was Brauch und Sitte betrifft, werde ich deshalb nicht allzu breit ausführen und auch alles weniger Wichtige weglassen. Ich komme gleich zur Sache.
    Alles ließ sich so an, wie es sich gehört. Da aber die Tageszeit schon vorgeschritten war, mussten wir uns mit der Hegung des Gerichts beeilen. Odo hängte seinen Schild an den untersten Ast der Esche, die Richter und Schöffen nahmen unter dem Baumriesen Platz, die Zuschauer lagerten sich auf der sanft vom Flussufer aufsteigenden Wiese. Einige zwanzig Allodbauern aus dem Dorf, die man rasch herbeigerufen hatte, waren noch hinzugekommen. Hrotbert legte Wert auf große Öffentlichkeit und wir hatten natürlich nichts dagegen.
    Odo ergriff seinen Speer und mit drei dumpfen Schlägen gegen den Schild eröffnete er die Verhandlung. Wir überließen jedoch deren Führung dem Grafen, zu dem wir Vertrauen hatten. Er kannte die Leute und die Verhältnisse besser. Im Übrigen konnten wir jederzeit eingreifen.
    Man brachte den Angeklagten. Herr Siegram erschien jetzt gefasst und keineswegs niedergeschlagen. Anscheinend hatte er mitbekommen, dass seine Sache nicht schlecht stand. Vielleicht lag es auch daran, dass Odo sich eine Weile mit ihm unterhalten hatte. Um seinen Rang zu betonen, hatte der Sänger sich kostümiert wie zwei Wochen zuvor in der Halle des Königs. Sein langes gelocktes Blondhaar wallte herab auf den im leichten Frühlingswind wehenden Umhang, der das golddurchwirkte Gewand darunter sehen ließ. Er trug den Kopf hoch erhoben und seine Miene hatte schon fast wieder den üblichen heiteren Stolz angenommen. Frei blickte er auf die Versammlung, als wollte er sagen: „Wie kann man von einem Schwan erwarten, dass er versteht, warum Gänse über ihn zu Gericht sitzen?“
    Von der anderen Seite rückte die Gegenpartei in den Halbkreis zwischen Richtern und Zuhörern. An der Spitze der vorgeschobene Kläger, der ja ein männlicher Verwandter sein muss, jener alte Onkel Arnfried, ein schmales Männchen mit dem Gesicht eines müden Uhus. Hinter ihm, ihn um zwei Häupter überragend, schritt Frau Begga. Hinkend und schwitzend folgte Hauk. Schließlich kamen noch die knorrigen Alten. Eine Greisin fiel mir besonders auf, die während der folgenden Reden und Gegenreden kein Auge von Siegram ließ und unentwegt vor sich hin brabbelte, wohl heidnische Zaubersprüche und Verwünschungen murmelnd.
    Graf Hrotbert gab dem Kläger das Wort. Der alte Uhu stotterte unter heftigem Augenzwinkern ein paar Sätze, womit der Form Genüge getan war. Frau Begga trat in die Mitte und schob ihn beiseite. Streng gebändigt war ihre Mähne unter dem Schleier, über ihren mächtigen Schultern und Brüsten spannte sich ein einfacher Umgang, der von

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