Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
mehr, dass unser Zeuge beim Teufel ist. Die Riesendame wird uns ein Hohnlachen hinterher schicken, mit einem so gewaltigen Echo, dass wir es als taube Greise noch hören werden.“
„Mach dir darüber keine Gedanken. Wichtig ist jetzt deine Genesung, damit wir bald weiterziehen können.“
„Herr Odo ist der edelste Mensch unter der Sonne“, bemerkte Rouhfaz. „Wenn man bedenkt, dass er sein Leben für den Sohn einer Unfreien …“
„Halt’s Maul“, knurrte Odo. „Du weißt ja gar nicht, warum ich es getan habe. Leih mir dein Ohr, Vater, dir will ich es beichten!“ Er winkte mich mit dem Finger zu sich herab und sagte leise: „Für einen Schluck Branntwein und das andere. Ich fürchte, sie hätte mir sonst nichts mehr gewährt!“
Darüber wurde er sehr fröhlich und lachte laut. Doch gleich darauf verzog er vor Schmerz das Gesicht und das Lachen ging in ein wütendes Heulen über.
In diesem Augenblick erschien ein Berittener. Es war derselbe junge Vasall, der mich am Tage zuvor hier abgeholt hatte.
„Verzeiht! Ich soll mich auf Befehl des Herrn Grafen an Euch wenden.“
„Nun?“
„Der Gefangene vom Salhof wollte fliehen. Und die Zentgräfin hat man eingesperrt. Ihr müsst sofort kommen!“
9. Kapitel
Ich bestieg meinen Esel und befahl den drei Männern unseres Trupps, mich zu begleiten. Fulk und Rouhfaz blieben bei Odo zurück. Einem Knecht vom Castell trug ich auf, den Teppich, der noch immer zwischen Turm und Kirche im Sand lag, wieder aufzuladen und uns so schnell wie möglich zu folgen. Während des Rittes durch das Wäldchen gab mir der junge Vasall des Grafen einen kurzen Bericht.
Herr Siegram hatte noch während der Nacht versucht, mit zwei Pferden vom Herrenhof zu entkommen. Er wollte zunächst zur Schänke reiten, weil er dort seinen jungen Begleiter vermutete. Ein paar Leute des Grafen, die in der Nähe des Tors lagerten und strengen Befehl hatten, niemanden herauszulassen, fingen ihn aber ab. Er behauptete, die Zentgräfin selbst habe ihn aus seinem Gefängnis befreit, doch habe er nicht fliehen wollen, sondern die Absicht gehabt, sich unter den Schutz der Königsboten zu begeben. Das glaubte man ihm nicht und so wurde ihm befohlen, abzusitzen und unsere Ankunft am Morgen zu erwarten.
Es sei dann auch ein Mann des Grafen auf den Salhof gegangen, fuhr der Bote fort, um sich über die näheren Umstände der Befreiung des Gefangenen zu erkundigen. Zu seiner großen Verwunderung habe er, obwohl es noch tiefe Nacht war, die meisten Bewohner auf den Beinen gefunden. Sie hätten alle um das Saalhaus herum gestanden, wo die Toten lagen und wo die Zentgräfin eingesperrt war. Sie selber seien es nämlich gewesen, die anstelle des Entwichenen die edle Frau eingesperrt hatten. Die Zentgräfin habe getobt und geschrien, doch die Leute vom Salhof hätten sie nicht heraus gelassen. Jemand habe sogar gerufen, das sei eine Abgesandte des Satans und sie solle nur dort drinnen verrecken. Der Mann des Grafen habe sich unverrichteter Dinge zurückgezogen.
Auf meine Frage, warum sie uns alle diese Vorfälle erst so spät gemeldet hätten, erklärte der junge Vasall, sie hätten vom Grafen den Befehl gehabt, bis zu seiner Rückkehr vom Castell nicht von ihren Posten zu weichen. Erst als man die Rauchsäule hinter dem Wäldchen bemerkt habe, sei man unruhig geworden und der Anführer habe sich entschlossen, ihn loszuschicken.
Wir erreichten das Tor des Herrenhofs. Ringsum lagerten die Leute des Grafen unter den Bäumen. Einer führte mir gleich den übernächtigten, schmutzbedeckten und unrasierten Siegram zu. Was für ein Jammerbild war aus dem strahlenden Sänger geworden! Er hob Lupus seine mit Lederriemen gebundenen Hände entgegen.
„Bitte veranlasst, dass sie die Fesseln lösen! Seht, meine Finger sind ganz verkrümmt. Wie sollen sie jemals wieder die Harfe schlagen!“
Ich erfüllte die Bitte und nahm ihn ein paar Schritte beiseite.
„Nun? Was ist vorgefallen? Wie kommt Ihr hierher?“
„Was immer man Euch berichtet hat … Ich wollte nicht fliehen!“ beteuerte der Sänger. Flehentlich blickte er mich mit den vom vom Wachen und Weinen entzündeten Augen an. „Bitte glaubt mir! Es waren die Umstände … seltsame Umstände, an denen ich unschuldig bin. Diese Frau …“
„Ihr meint die edle Frau Begga, die Zentgräfin.“
„Sie kam heute Nacht in mein Gefängnis. Ich lag auf dem Stroh, die Kette am Fuß, in einem Dämmerschlaf. Plötzlich kniete sie vor mir und sprach auf mich
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