Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
ergebene langobardische Sklavenseele! Herrenarbeit ist nicht seine Sache. Zur Sklavenarbeit taugt er vortrefflich. Um es nun aber kurz zu machen … Auch wenn ich zugestimmt hätte, den abscheulichen Ehrverletzer, Onkelchens Schwager, laufen zu lassen … es wäre nicht mehr möglich gewesen. Als ich das Bündel vom Pfeiler nahm, war es nämlich schon leblos. Vermutlich war der Kerl an dem Knebel erstickt. Da Gott nun also sein Urteil gesprochen hatte, sagte ich zu Cleph: ‚Es wäre nicht gut, wenn es herauskäme, das könnte den alten falschen Verdacht nähren und neue Unruhe bringen. Wir wollen den Leichnam in die Grube werfen, wo so ein schmutziger Teufel hingehört. Mach, daß du hinunterkommst und paß auf, daß er im Schlamm versinkt und niemand etwas bemerkt!‘ Er gehorchte und tat, was ihm befohlen war, Ihr habt es selber verspürt. Natürlich wäre es besser gewesen, auch Euch gleich in die Grube zu werfen, doch zu so etwas ist er nun einmal nicht fähig. Ich machte ihm Vorwürfe, ahnte ich doch, daß Ihr alles herausbekommen würdet. Schließlich seid Ihr ja ein berühmter Wahrheitsfinder. Offen gestanden, ich hatte erwartet, daß Ihr mich heute besuchen würdet. Nun, geht es Euch besser nach meiner Pflege? Fühlt Ihr Euch wohl auf dem weichen Lager? Befriedigt es Euer christliches Gewissen, eine Edelfrau überfallen und unter dem Vorwand, sie befragen zu wollen, Eurer schändlichen Lust geopfert zu haben?“
Die letzten drei Sätze stieß sie höhnisch hervor, während sie sich einen zweiten Becher Wein einschenkte. Ich lag tatsächlich noch auf dem Ruhebett. Erschrocken sprang ich auf und rief:
„Verzeiht! Ich gehe schon! Laßt mich hinunter!“
Im selben Augenblick sah ich an mir herab und stellte fest, daß ich nur meine kurze Tunika anhatte.
Die edle Frau brach in ein Gelächter aus, das mich erschauern ließ.
„Wollt Ihr so gehen, ehrwürdiger Vater?“
„Ich bitte Euch, gebt mir die Kutte! Wo ist sie?“
„Ihr könnt sie ja suchen. Aber sie ist gut versteckt.“
„Was habt Ihr denn vor? Was wollt Ihr erreichen? Warum wollt Ihr mich lächerlich machen?“
„Lächerlich machen? Das wäre zu wenig. Ihr habt gesündigt, mein dickes Väterchen … jetzt heißt es büßen! Könnte es sein, daß Eure Sünde auch die Aufmerksamkeit eines Richters verdiente?“
Wieder ertönte ihr trunkenes Lachen.
„Gebt mir die Kutte!“ drängte ich. „Laßt mich hinunter!“
„Nicht bevor Ihr entdeckt seid.“
„Entdeckt? Von wem?“
„Meinen Knechten. Ich werde sie rufen.“
„Oh, tut das nicht!“
„Und was sollte mich daran hindern? Natürlich werde ich sagen, daß Ihr Euer niederträchtiges Ziel nicht erreicht habt.“
„Aber ich kam doch nicht mit der Absicht …“
„Ihr kamt mit der Absicht, Euer Beweisstück zu suchen. Mit dem Ihr mir zwei Morde nachweisen wolltet. Hier ist es!“ Sie riß den Gürtel des Gundobad von dem Pfeiler. „Ich werde Euch damit züchtigen lassen!“
Sie ließ das Leder durch die Luft schnellen. Dann trat sie an eines der Fenster und blickte hinunter. Ich weiß nicht, ob sie Ernst gemacht und tatsächlich die Knechte gerufen hätte. Wie gelähmt stand ich da, des Unheils gewiß, das über mich hereinbrechen mußte. In diesem Augenblick klopfte es. Einmal, dann zweimal hintereinander, und noch einmal.
„Das ist Cleph!“ erklärte Frau Prisca.
„Gebt mir die Kutte!“ flehte ich. „Habt doch Erbarmen!“ Und ich fügte in meiner Not hinzu: „Ich schwöre Euch, über alles, was ich von Euch erfahren habe, Stillschweigen zu bewahren. Ich …“
Ihr abschätziger, prüfender Blick glitt an mir herunter und wieder herauf. Dann stieß sie ein kurzes trockenes Lachen aus, hob den Deckel einer Truhe und warf mir die Kutte zu. Noch heute zerbreche ich mir den Kopf darüber, wann und wie sie die dort hineintun konnte. Während ich die Kutte schleunigst überstreifte und die Sandalen an meinen Füßen befestigte, ordnete Frau Prisca die Kissen des Ruhebetts. Ohne Hast trat sie dann an die Luke, öffnete sie und ließ die Leiter hinunter.
Ich stand mitten im Raum, die schwitzenden Hände über dem Bauch gefaltet, und versuchte gewiß vergebens, meinen Zügen einen frommen, würdigen Ausdruck zu geben. Mein Kopf mußte das satte Rot eines überreifen Apfels angenommen haben.
Cleph erschien in der Luke und blickte mich an, ohne überrascht zu sein. Seine Miene war finster wie gewöhnlich. Allerdings glaubte ich, eine Spur von Spott und Verachtung zu
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