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Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Titel: Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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wir, am Waldrand angelangt, den Karren von seiner Last befreiten und ins Gebüsch stießen. Vom Kloster hörten wir es zur Non {22} läuten, und wir warteten noch ein wenig, damit uns das Stundengebet nicht zu viel Aufmerksamkeit entzog.
    Dann luden wir uns das Kreuz auf.
    Der Krankensaal befand sich in einem Steinbau, der wohl auch einmal Teil einer Villa römischer Provinzialen war, wie so viele Gebäude in dieser Gegend. Vielleicht war dies einmal ein Sklavenhaus, denn es lag etwas abseits, und ich bemerkte an den Wänden noch da und dort Stellen, wo man eiserne Ringe angebracht hatte, um die Unfreien anzuketten. Der große, niedrige Raum hatte nur ein einziges Fenster, dasselbe, das schon Rouhfaz in seinem Bericht erwähnt hatte. Gleich dahinter mußte die Mauer mit dem Wirtschaftstor sein, das wir einnehmen wollten. Es war uns gelungen, ohne Verzögerung in den Bereich des Klosters zu gelangen, wo wir uns sozusagen mitten im feindlichen Lager befanden.
    Denn nach allem, was wir wußten, war es die Infirmerie, die Krankenabteilung, in der die Mörderbande nistete. Das einsame Haus in der Nähe des separaten Tors war in der Tat ein vortrefflicher Ort, um zwischen Komplet und Vigil {23} den heiligen Benedikt samt seiner Regel zum Teufel zu wünschen. Es fiel auch gleich auf, wie wenig man hier von mönchischen Tugenden hielt. Obwohl einige der Kranken schrecklich stöhnten und nach Wasser verlangten, war niemand da, um ihnen in Demut dienstbar zu sein. Statt ernsten Schweigens, wie es Vorschrift ist, herrschte irgendwo am Ende des Ganges, wo mehrere Brüder beieinander sein mußten, laute Fröhlichkeit, als ob sich dort eine Bauernschenke befände. Die Mönche, die uns hierhergebracht hatten, waren längst fort, als endlich einer der Krankenbrüder die Nase hereinsteckte. Sein spitzes Gaunergesicht kam mir gleich bekannt vor.
    „Subulcus!“ röchelte einer der Kranken. „Komm her! Gib mir zu trinken!“
    „Was soll ich denn noch bei dir, Severinus?“ war die Antwort. „Mit dir ist es aus, du brauchst nichts mehr!“
    Es war der Gefährte des Zacharias, den ich kurz nach unserer Ankunft bei Ebrachar in der Kapelle gesehen hatte. Er trat zu mir und sagte:
    „Was hast du? Die Füße? Und der dort? Wer seid ihr?“
    „Pilger.“
    „Könnt ihr bezahlen?“
    „Bezahlen?“
    Er lachte auf, als im selben Augenblick draußen „Subulcus!“ gerufen wurde. Es war eine quäkende, ungeduldige Stimme.
    „Ich komme schon, Bruder Theophan!“ rief Subulcus zurück. Bevor er hinausging, sagte er noch zu einem, der eine offene Kopfwunde hatte:
    „Gleich sind wir bei dir, Ceslin! Wir bohren dir deinen verdammten Schädel auf und sehen mal nach, ob du Dummkopf da drin ein Gehirn hast!“
    Der Angesprochene heulte auf. Bruder Subulcus entfernte sich lachend.
    Etwa fünfzehn Kranke waren im Saal, recht viele also. Ein paar Greise waren darunter, die wohl an Schwäche litten und still vor sich hin dämmerten. Die weitaus meisten jedoch waren Jüngere, und mir kam gleich der Verdacht, daß es die waren, welche sich mit den Entführern der Ingunde geschlagen hatten. Sie hatten Wunden, die von Verletzungen herrührten, und sie waren es, die stöhnten und jammerten. Der Name des Sterbenden, Severinus, ließ auch gleich ein Licht der Erinnerung in mir aufflammen. Rouhfaz hatte ihn als einen der Mörder erwähnt, die von Odo verfolgt worden waren.
    Ich sah hinüber zu meinem Gefährten, der sich auf seiner Pritsche etwas erhoben und auf einen Ellbogen gestützt hatte. Seine Augen wanderten von einem der Kranken zum anderen, er studierte aufmerksam die Gesichter. Als sich unsere Blicke begegneten, bewegte er verneinend den Kopf. Auch er hatte – wie ich selbst – keinen der Männer entdeckt, die wir suchten. Leider konnten wir uns nicht einmal flüsternd verständigen. Nach Klosterbrauch waren die Pritschen in weiten Abständen aufgestellt, und es befand sich auch noch ein Kranker zwischen uns. Der lag die ganze Zeit fast reglos. Man hätte ihn für tot halten können, würde nicht ab und zu ein Arm oder Bein gezuckt haben. Er mußte schmal und zartgliedrig sein, denn die schmutzige Decke, die bis zum Hals heraufgezogen war, ließ kaum die Umrisse seines Körpers ahnen. Auf dem Gesicht lag ein Lappen, der an mehreren Stellen von Blut durchtränkt war. Weiße Haare sträubten sich über den Ohren.
    Wieder verging geraume Zeit, und es dämmerte schon, als sich die fröhliche Gesellschaft vom Ende des Ganges auf den Krankensaal

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