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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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hervor, schlug ihm den Becher aus der Hand und schüttelte ihn.
    „Hörst du das? Wie uns der Mörder deines Vaters verhöhnt? Unter dem eigenen Dach? In der eigenen Burg?“
    Auch feigen und trägen Leuten passiert es, daß sie ein Anfall von Heldenmut packt. Meist handelt es sich dabei freilich um Tollkühnheit. Das wilde Geschrei, die blinkenden Waffen, das reichlich getrunkene Bier – dem Allard genügte das. Er packte eines der Schwerter, ließ die Klinge ein paarmal fauchend die Luft teilen und schrie mit überkippender Stimme:
    „Ich mache dich fertig, du Mörder! Du Sohn eines Mörders! Du Enkel von Mördern!“
    „Meine Ahnen waren Könige!“ rief Irmo mit seinem breiten Lachen. „Aber deine waren wohl Schnecken! Sonst würdest du nicht so langsam sein!“
    Da stürmte ihm Allard schon entgegen, und Irmo sprang über die drei Stufen der Treppe zurück, hinaus auf die Felsenplattform. Die Kämpfer entschwanden unseren Blicken, doch gleich darauf hörten wir das Klirren des Stahls. Fackeln wurden nun von den Pfeilern gerissen, und alles drängte hinaus – die Horde des Hug, die Schrate, unsere eigenen Leute, sogar die Frauen. Zuletzt entschwebte die Frau Luitgard, von ihren Knechten hinausgetragen.
    Nur Odo und ich waren noch im Saal.
    „Wir müssen etwas tun!“ sagte ich.
    „Da kann man nichts tun“, erwiderte Odo.
    „Nichts?“
    „Nichts!“
    „Ja, willst du denn zusehen bei den Schlächtereien?“
    „Nein. Wir sollten vermeiden, dabei Zeugen zu sein.“
    „Odo!“ Ich packte ihn heftig am Arm. „Ahnst du denn nicht, was da draußen geschehen wird? Dieser Irmo wird den Allard besiegen. Dann aber werden sie über ihn herfallen und ihn totschlagen.“
    „Das ist das Wagnis, das er eingeht. Er konnte nicht anders. Ich glaube aber, er wird einen Ausweg finden. Ja, ich bin sicher, er wird sich retten.“
    „Und ich fürchte, er ist verloren!“
    „Du bist eben eine ängstliche Pfaffenseele.“
    „Und was bist du? Bist du nicht auch hier als Kommissar, der den Auftrag hat, Zweikämpfe, Raufereien, Blutfehden und dieses ganze gesetzlose Treiben zu stoppen?“
    „Da hast du recht. Doch ich bin auch der Nachfahr von Königen!“ Er schob mich mit einer vornehmen Geste von sich, zog die Tunika glatt und richtete den Gürtel. „Und wäre ich jetzt bei Hofe und würde man Rotrud, meine Braut, beleidigen, so würde ich sämtliche Vasallen des Königs vor meine Klinge fordern – und wären es ihrer hundert! Das ist nun mal eine Frage der Ehre, da kann man nichts machen.“
    „Kannst du nicht einmal vergessen“, rief ich, „daß du ein Nachfahr der Merowinger bist?“
    „Nie!“
    „Und einsehen, daß so ein Kampf um die Ehre genauso unsinnig und verstiegen ist“, fügte ich boshaft hinzu, „wie dein Anspruch, Bräutigam der Prinzessin Rotrud zu sein?“
    In Odos Augen blitzte es auf, und er stieß mir seine gewaltige Nase so heftig entgegen, daß ich erschrocken zurückfuhr.
    „Sag noch ein Wort, und es gibt hier drinnen gleich eine Leiche. Schneller als draußen!“
    Ich fuhr hastig mit der Hand in die Tasche und zog mein Gebetbuch hervor.
    „Nur zu!“ rief ich wütend. „Bring mich um! Den einzigen, der hier Vernunft bewahrt. So bleibt mir nur eine Hoffnung – Gott! Ihn werde ich um Hilfe bitten!“
    „Ich glaube nicht, daß Gott es mit den Vernünftigen hält“, sagte Odo und beugte sich nieder, um unter den Tischen inmitten von Haufen abgenagter Knochen, zerbrochenen Bechern und verlorenen Schuhen den Krug mit italienischem Wein zu suchen, um sich nachzuschenken.
    Ich hielt es für sinnlos, noch länger mit ihm zu streiten, machte kehrt und stürzte hinaus.

4
    W as draußen geschah, glich mehr einer Jagd als einem Kampf. Im Licht des zunehmenden Mondes und der Fackeln, die einige Zuschauer in den Händen hielten, hasteten die beiden Kämpfer zwischen Salhaus und Palisadenzaun hin und her. Gleich sah ich, daß Allard schon fast am Ende war. Sein Atem ging rasselnd, bei jedem Hieb, dem er standhalten mußte, entfuhr ihm ein kläglicher Schrei. Hatte er einen Schlag pariert, wich er zurück, sechs, acht, zehn Schritte, bis sein Gegner ihn einholte und ihn erneut zur Abwehr zwang. Wenn die Schwerter gegeneinander krachten, hatten die dünnen Beine Mühe, den plumpen Körper im Gleichgewicht zu halten. Dabei war Allard im Vorteil, er hielt in der Linken sogar einen Schild, den ihm noch jemand zugereicht haben mußte. Allerdings wurde er dadurch auch schwerer und langsamer, und da

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