Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Sallustus.“
„Durch die offengebliebene Gartenpforte. Auch er ging ins Haus.“
„Er rannte.“
„Wieviel Zeit war vergangen, seit der andere im Hause verschwunden war? Mehr als man braucht, um ein Vaterunser zu beten?“
„Wohl weniger.“
„Bemerkte Sallustus die Romilda?“
„Der hatte es viel zu eilig.“
„War jetzt aus dem Hause etwas zu hören? Vielleicht ein Wortwechsel?“
„Nichts.“
„Keine Stimmen?“
„Nur die des Sallustus. Aber erst später.“
„Wieviel später? Noch einmal ein Vaterunser?“
„Nicht ganz.“
„Was hörtest du?“
„‚Mord! Mord!‘ rief er.“
„Und was tatest du?“
„Ich lief hinunter.“
„Wen fandest du dort?“
„Den Sallustus. Und den Herrn, aber umgebracht.“
„Was tat der Sallustus?“
„Schrie und jammerte.“
„Und der Fremde?“
„War fort.“
„Durch die Tür nach dem Forum, die nicht verschlossen war.“
„Ich hatte sie abgeschlossen, ja!“ rief der Teut.
„Wo war jetzt die Romilda?“ fragte ich den Koch. „Noch immer im Garten?“
„Sie kam herein. Gleich hinter mir.“
„Was tat sie?“
„Warf sich auf den Boden und heulte.“
„Fragte sie nach dem Fremden?“
„Das nicht.“
„Erwähnte Sallustus diesen Mann?“
„Auch nicht.“
„Und du? Hast du gesagt: ‚Ich sah eben einen Fremden ins Haus gehen, aber nicht wieder herauskommen!‘?“
„Nein.“
„Warum nicht.“
„Sallustus sagte: ‚Der Jude war's!‘“
„Glaubtest du ihm?“
„Das nicht.“
„Warum widersprachst du ihm nicht?“
Griffo wich meinem Blick aus und schwieg.
„Wer entfernte das Messer aus dem Rücken des Toten?“
„Das war ich.“
„Kanntest du dieses Messer?“
„Beim Braten lag's. Ihr findet es dort … dort auf dem Tisch.“
Es war ein spitzes, scharf zugeschliffenes Messer, fast so lang wie ein Sax {11} . Vom Blut des Bischofs war es gereinigt und diesmal vermutlich zum Zerhacken der giftigen Wurzeln für das Garum verwendet worden. Ein nützliches Mordgerät, welches – davon war ich inzwischen überzeugt – gleich von mehreren Tätern verwendet wurde.
Ich stand auf und ging in den Garten, um mir etwas Bewegung zu machen. Durch eine nur halb mannshohe Öffnung, vor der ein Sackvorhang hing, gelangte man aus der Küche hinaus. Die Sonne war inzwischen aufgegangen, der klare Himmel verhieß einen freundlichen Tag. Tau lag auf Blüten und Blättern, den harmlosen und den giftigen Sträuchern, Gräsern und Kräutern, die bis zu der Hecke, welche den Garten begrenzte, beinahe undurchdringlich wucherten. Ich machte nur einige Schritte, sog tief die Morgenluft ein und kehrte dann in die Küche zurück. Der Koch hing kläglich und erschöpft am Pfeiler. Aber noch konnte ich ihn nicht losbinden lassen, damit er sich ausruhte. Noch hatte er mir nicht alles gesagt, was ich wissen mußte. Ich trat auf ihn zu, griff fest in sein Kraushaar und riß seinen Kopf hoch.
„Warum hast du das alles nicht dem Comes erzählt, als du gestern vor seinem Richterstuhl standest? Wie? Bist du ein Christ? Hast du kein Mitgefühl mit einem, der zu Unrecht verurteilt wird, auch wenn er nicht deinen Glauben teilt? Nun, was verlange ich da von einem Schurken wie dir!“ fuhr ich fort, indem ich ihn losließ. „Ich verstehe schon, was du Spitzbube vorhattest. Deine Absichten sind ja nicht schwer zu erraten. Du warst überzeugt, der Fremde habe den Bischof ermordet. Vielleicht im Einvernehmen mit Romilda, auch wenn sie sich noch so verzweifelt gebärdete. Welcher Vorteil ließ sich aus dieser Lage ziehen? Du drohtest der Römerin mit deinem Wissen … wolltest sie nötigen, mit dir zu gehen. Sie wies dich ab, doch du gabst noch nicht auf. Sodann versuchtest du, dein ‚Erbe‘ zu sichern, vermehrt um das, was du schon früher gestohlen hattest. Bei diesem Geschäft überraschten wir dich. Das Testament erwies sich als Scherz, mit dem sich dein Herr und seine Gäste auf deine Kosten die Zeit vertrieben hatten. Du wolltest nun wenigstens mit einem Teil deiner Beute entkommen. Dies wurde vereitelt, und plötzlich glaubtest du zu verstehen. Ich beobachtete dich in diesem Augenblick … als du Herrn Odo auf der Bank sitzen sahst, im roten Mantel, an seiner Seite Romilda, die bei ihm Schutz suchte. In deiner Erinnerung tauchte ein Bild auf … Schnell reifte dein Plan. Der Mörder – oder der, den du dafür hieltest – und das Mädchen, das dich verschmäht hatte, sollten nicht die Früchte genießen, um die du dich selber
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