Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
betrogen glaubtest. Und du hattest auch schon ein Rezept … dasselbe, das du schon einmal erfolgreich angewandt hattest. Vor sieben Monate, als du dir allerdings etwas mehr Zeit nehmen und das tödliche Mahl in Häppchen verabreichen konntest. Was war es damals? Aronstab? Elfenkraut? Lausbeere? Antworte!“
„Verstehe nicht“, stammelte Griffo.
„Du verstehst mich sehr gut. Von Ansegisel spreche ich, einem elfjährigen Knaben, dem Neffen des Bischofs. Auch er mochte deine Fischsoße. Zwei Wochen brauchte es, bis sie ihn hinraffte.“
„Das hat der Sal… Sallustus behauptet!“
„Ist es denn nicht die Wahrheit?“
„Seine Schuld war's!“
„Wie? Du gibst dem Priester die Schuld, daß der Knabe …?“
„Er war's! Er war's!“
„Du Teufel!“
Wie ein vom Frühlicht überraschtes Gespenst fuhr eine kleine Gestalt zur Tür herein. Sie wirbelte durch die Küche, riß eine Flasche um, die in Scherben zersprang, stieß erst den Teut, dann Heiko beiseite und stürzte sich auf den Koch.
„Gehilfe Beelzebubs! Giftmischer! Kindesmörder! Du wagst es, den Diener Gottes zu schmähen? Daß dich die Erde verschlinge! Daß dich die Flut ersäufe! Daß Gottes Zorn dich zu Asche verbrenne!“
Diese Verwünschungen wurden von Faustschlägen und Fußtritten begleitet. Der Gepeinigte heulte auf. Sallustus hatte vermutlich im Gang gelauert und das Verhör belauscht. Doch plötzlich waren Wut und Empörung mit ihm durchgegangen. Wahrhaftig, man hatte den Eindruck, als würde sein roter Karottenkopf sich gleich vom Halse lösen und durch das Dach stoßen.
Dem kam ich allerdings zuvor, indem ich den kleinen Priester fest am Arm packte und beiseite zerrte.
„Was fällt dir ein, Pfaffe?“ fuhr ich ihn an. „Bist du von Sinnen? Du stürmst hier herein, störst eine gerichtliche Untersuchung …“
„Verleumdung!“ stieß er schweratmend hervor. „Ich soll schuldig am Tode des Knaben sein? Wer liebte ihn mehr als ich …“
„Aufgehetzt hat er ihn!“ ächzte der Koch.
„Aufgehetzt? Gegen wen?“ fragte ich.
„Gegen den Herrn!“
„Seinen Onkel? Den Bischof?“
„Schweig!“ schrie Sallustus.
„Ich bin es, der hier Schweigen und Reden gebietet!“ fuhr ich ihn an. Und wieder an Griffo gewandt, fragte ich: „Was heißt, er hetzte den Knaben auf? Wie verhielt sich Ansegisel zu seinem Onkel?“
„Er war bösartig … frech … ‚Onkel Porcus‘ {12} nannte er ihn!“
„Ein kindlicher Scherz!“ rief Sallustus.
„Hast du das auch gehört?“ fragte ich Teut.
„Er nannte ihn auch Bischof Babulus {13} “, sagte der Friese. „Oder auch ‚Onkel Parasiticus‘, ja.“
„Warum?“
„Weil der Herr nach seiner Meinung schmarotzte … in dem Haus, das ihm und seiner Mutter gehörte.“
„Und der Bischof? Wie nahm er es auf?“
„Meistens lachte er nur darüber. Aber manchmal sagte er auch: ‚Dieses Bürschlein wird mir noch einmal gefährlich!‘ ja!“
„Da hört Ihr's!“ frohlockte Sallustus. „Der Knabe war ihm zuwider. Er haßte ihn!“
„Angst hatte er!“ schrie der Koch und stotterte wieder vor Erregung. „Weil der Ans… Ansegisel sagte: ‚Gott wird dich strafen, Onkel Porcus!‘ Das sagte er täglich vor … vor dem Tischgebet. Und dann betete er: ‚Erhöre mich, Herr, und strafe ihn! Mach, daß mein Onkel zur Hölle fahrt!‘ Das hatte der Sal… Sallustus ihm beigebracht!“
„Ersticke an deinen Lügen!“ rief der Priester.
„Und zu mir sagte er: ‚Wenn mein Onkel … wenn der erst tot ist, bist du mein Eigentum, ich erbe dich … und dann, burg… burgundischer Dieb, lasse ich dich von meinen Pferden zerreißen!‘“
„Eine kraftvolle Sprache für einen Elfjährigen!“ sagte ich. „Ja, man fragt sich, wer mag sie ihm beigebracht haben? Ich vermute, du bekamst es nun selbst mit der Angst zu tun. War es so? Und du sagtest dir: Ehe es etwa dem Herrn gefällt, die Gebete des Unschuldsknaben zu erhören, den Bischof zur Hölle zu schicken und mich ins Verderben zu stürzen, ist es schon besser, daß die Gebete verstummen. Und so mischtest du deinem Garum, das der Knabe so gern aß, etwas Würze bei, die die Eigenschaft hatte, stumm zu machen.“
Ich blickte den Griffo lange scharf an. Der erwiderte nichts, sondern senkte nach einer Weile den Krauskopf und nickte.
„Er gesteht!“ schrie Sallustus. „Da habt Ihr's …“
„Du tatest es auch für deinen Herrn“, sagte ich. „Aber er wußte nichts davon.“
Der Koch bestätigte auch dies. Sallustus
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