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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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könnte mir schlecht bekommen. Niemand außer den wenigen Eingeweihten darf nämlich von der peinlichen Sache wissen, und dir dürfen wir ja erst recht keine Auskunft geben. Das Kloster soll nun einmal als Hort des Friedens und der Nächstenliebe dastehen, Mord und Totschlag gibt es nur draußen. Aber hast du bei Sturm und Gewitter schon einmal ein rosa Wölkchen am Himmel bemerkt?“
    „Erzähle mir von dem Straßenräuber! Ich werde schweigen, das verspreche ich dir.“
    „So höre. Vor ungefähr einem Monat war es, an einem Sonntag, gleich nach dem Hochamt. Ich ging in den Stall und fütterte die Tiere … genauso wie heute, als wir uns trafen. Plötzlich fiel mir etwas auf. Es war ein Gestank … Nun stinkt es zwar immer in einem Stall, aber es stinkt nach den Tieren, nach Jauche, nach Mist … das kennt man, daran ist man gewöhnt. Dies aber war ein anderer Gestank, und ich mußte gleich an einen kurze Zeit vorher verstorbenen Bruder denken, den wir zu lange aufgebahrt hatten. Also ging ich der Sache nach … und was fand ich?“
    „Einen Leichnam?“ fragte ich gespannt.
    Medardus trank einen Schluck, bevor er fortfuhr.
    „Er lag in einem leeren Koben, in der äußersten Ecke. War mit Stroh zugedeckt, aber nur notdürftig. Gleich als ich die ersten Halme wegnahm, kam der Kopf zum Vorschein. Ein Kopf ohne Ohren! Er grinste mich an und bleckte dabei sämtliche Zähne, denn er hatte auch keine Lippen. Der Kerl war nackt, von ein paar Lumpen abgesehen. Zwei Dolchstiche hatten ihn umgebracht, einer in die Brust, der andere in den Bauch.“
    „Wie lange, glaubst du, hatte er dort schon gelegen?“
    „Ein paar Tage, vielleicht eine Woche. Er fing schon an auseinanderzulaufen, wie ein Käse in der Sonne. Aber die Züge waren noch gut zu erkennen.“
    „Es war ein Straßenräuber, sagst du? Wie kamt ihr darauf?“
    „Die Lippen, Bruder. Die waren nicht etwa schon weggefault, die waren ihm abgeschnitten worden. Aber bereits vor längerer Zeit. Dies brachte uns darauf, daß es der Corbus war mit dem Beinamen Ohnelippe, der schon lange mit seiner Bande die Gegend unsicher machte. Er konnte auch Ohneohr heißen, denn auch die Ohren hatte sein früherer Herr ihm abschneiden lassen.“
    „Sein früherer Herr?“
    „Ein Aquitanier. Der hatte den Corbus von einem Sklavenhändler gekauft, als Jüngling von zwanzig Jahren. Doch lange behielt er ihn nicht. Nachdem er ihn wegen Aufsässigkeit so verstümmelt hatte, jagte er ihn fort. Der Corbus schwor Rache, doch nicht nur dem einen, sondern gleich allen Herren. Er sammelte eine Bande und ging in die Wälder. Von dort aus machte er Jagd auf Edle, raubte sie aus und brachte sie um – doch nur sie, das einfache Volk ließ er unbehelligt. Er wütete furchtbar, mehrere Jahre lang, man fand edle Herren geköpft, andere gepfählt, anderen wieder hatte er die Haut abgezogen, bevor er sie umbrachte. Diesmal aber war einer schneller gewesen als er.“
    „Gibt es Vermutungen, wer …“
    „Es gibt keine. Ein großes Rätsel ist schon, wie der Corbus hereinkam. Er mußte verkleidet gewesen sein, gab sich wohl als Reisender aus. Es hieß ja auch, daß er wegen der fehlenden Ohren und Lippen Perücken und falsche Schnurrbarte trug, mal blonde, mal rote, mal schwarze. Er sah jedesmal anders aus, wenn er irgendwo auftauchte. So erzählte man es sich in der Gegend hier …“
    „Perücken, falsche Schnurrbärte“, murmelte ich. „Fandet ihr etwas davon?“
    „Nichts.“
    „Auch sonst nichts? Ein Kleidungsstück? Einen Schuh? Eine Waffe?“
    „Nur einen Riemen, der zu einem Wehrgehänge gehört haben konnte. Der Räuber war vollständig ausgeraubt. Hier im Kloster! Ist das nicht komisch, auch wenn es grausig ist?“
    „Was geschah mit dem Leichnam?“
    „Was soll schon mit ihm geschehen sein? Nachdem ich ihn entdeckt hatte, lief ich natürlich zu unseren Oberen. Da kamen der Bertram und der Prior und besahen den Corbus, und gleich hieß es: res arcana, secreta {21} ! Nur ein einziger Bruder wurde noch eingeweiht. Mit dem mußte ich den Leichnam wegschaffen, in der Nacht, durch eine Hinterpforte. Wir haben ihn irgendwo im Walde verscharrt. Genug davon!“ Die Miene des Cellerars war auf einmal besorgt. „Die Geschichte fiel mir so ein, weil … Du hast versprochen, Lupus, sie für dich zu behalten! Wenn nämlich darüber geredet wird und die Bande des Corbus erfährt, daß ihr Anführer hier bei uns umkam … wer weiß, dann geht vielleicht unser Kloster in Flammen

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