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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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auf. Ich kann dir vertrauen?“
    „Vollkommen. Allerdings habe ich eine Bitte. Könnte ich wohl die Stelle sehen, wo du den Leichnam gefunden hast?“
    „Wozu?“
    „Nur aus Neugier.“
    Ich merkte ihm an, daß es ihm jetzt leidtat, mir von dem Leichenfund berichtet zu haben. Er hatte mich nur unterhalten und vor mir weitgereistem Manne vielleicht auch ein wenig prahlen wollen. Daß ich von Amts wegen damit befaßt war, Verbrechen aufzuspüren und ihren Ursachen auf den Grund zu gehen, wurde ihm jetzt erst recht bewußt. Er versuchte, mich abzulenken und unserem Gespräch eine andere Richtung zu geben, doch kam ich mit sanfter Beharrlichkeit immer wieder auf meine Bitte zurück. Am Ende gab er nach, nicht ohne mich nochmals beschworen zu haben, ich möge ihm Ungelegenheiten ersparen.
    Der Stall, in den wir nun zurückkehrten, war hauptsächlich den Reit- und Lasttieren des Klosters vorbehalten. Nur wenigen Gästen war es erlaubt, ihre Pferde und Esel hier einzustellen. Meine Amtswürde hatte Grisel und Heikos Braunem das trockene Plätzchen verschafft, und allgemein erhielten wohl alle Edlen für ihre vierbeinigen Reisebegleiter diese Vergünstigung. Die anderen mußten ihre Tiere draußen an Bäume binden. So herrschte in dem geräumigen Stall kein Gedränge, meist blieb sogar noch viel Platz. Der Koben, zu dem Medardus mich führte, wurde fast nur genutzt, um Stroh oder Heu zu lagern, weshalb er auch manchmal als Schlafplatz für mitreisende Knechte diente. Er selber, gestand mein alter Bekannter, habe es sich hier oft bequem gemacht.
    Ich ließ mir die Lage des Leichnams bezeichnen und trat selbst in den Koben ein. Einige Fragen, die ich stellte, beantwortete Medardus einsilbig, wobei er immer wieder nach dem Tor schielte aus Besorgnis, es könne jemand hereinkommen. Ich erfuhr, daß der Stall nie verschlossen und des Nachts nicht bewacht wurde. Auch die Gäste des Klosters hatten also jederzeit Zutritt. Erst am Morgen, wenn alle aufbrachen, gaben die Mönche acht, daß keiner, der auf seinen Füßen gekommen war, das Kloster bequem auf einem Tierrücken sitzend verließ.
    Längst waren natürlich die Spuren der Untat verdeckt. Mehrere Bunde Stroh waren locker übereinandergeworfen. Ich ergriff eine Stange und hatte sie trotz des Protestes des Medardus schnell abgetragen. In der festeren Schicht darunter stocherte ich eine Weile herum und brachte schließlich einen teilweise dunkel verfärbten Fetzen gelblichen Wollgewebes zum Vorschein, vielleicht ein blutgetränktes Stück vom Untergewand des Getöteten. Mehr war aber nicht zu entdecken. Ich wollte es schon dabei bewenden lassen, als ich plötzlich mit der Stange tief unten auf etwas Hartes traf.
    Ich kniete nieder, schob Stroh beiseite, tastete mich mit der Hand bis zur Spitze der Stange vor. Im nächsten Augenblick brachte ich einen metallenen Gegenstand ans Licht.
    Es war eine runde Fibel aus Gold mit eingelegtem Almandin {22} und einem kleinen Diamanten in der Mitte.
    „Heiliger Dionysius!“ entfuhr es dem Cellerar. „Wenn das vergessen wurde, hat es sich wohl gelohnt, den Corbus Ohnelippe auszurauben!“
    „Ein gediegenes Stück“, sagte ich, „und sicherlich mehr als hundert Jahre alt. Wo findet man heute noch so edles Handwerk? Solchen Schmuck besitzen nur noch sehr alte, reiche Familien.“
    „Corbus wußte schon, wo es etwas zu holen gab.“
    „Gewöhnlich trägt man ja solche Fibeln paarweise. Der Mörder müßte die zweite haben.“
    „So wird es wohl sein. Aber willst du ihn etwa suchen? Das unterlaß lieber! Ich will dir sagen, was ich vermute. Es war einer von seinen Spießgesellen. Und der ist längst wieder in den Wäldern verschwunden.“
    „Man müßte herausbekommen …“
    „Vergiß nicht, was du versprochen hast! Du wirst doch nicht etwa mit dem Ding da herumlaufen wollen und unter den Brüdern Unruhe stiften? Gib es her, ich vergrabe es! Wir beide haben Armut gelobt, wir brauchen so etwas ohnehin nicht. Na, und wer braucht es überhaupt? Es war im Besitz eines grausamen Mörders, eines wahren Teufels. Vielleicht haftet ein Fluch an ihm. Wissen wir, was es noch anrichten könnte? Wenn es verschwindet, ist keine Gefahr mehr …“
    Er wollte die Fibel an sich nehmen. Dabei gerieten wir fast in ein Handgemenge, denn ich verteidigte meinen Fund und ließ ihn schließlich in meiner Tasche verschwinden. Kurz darauf trennte ich mich von Medardus. Wir schieden nicht gerade im Zwist, aber auch nicht in Freundschaft. Er bereute seine

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