Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
verderbenden Krieg und schreckliche Zwietracht
Senden? Oder beschließest du Freundschaft unter dem Volke?
Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion:
Warum fragst du mich, Tochter, und forschest meine Gedanken?
Hast du nicht selber den Rat in deinem Herzen ersonnen,
Daß heimkehrend jenen Odysseus’ Rache vergölte?
Tue, wie dir’s gefällt, doch will ich das Beste dir sagen.
Da der edle Odysseus die Freier jetzo bestraft hat,
Werde das Bündnis erneut: er bleib in Ithaka König;
Und wir wollen dem Volke der Söhn’ und Brüder Ermordung
Aus dem Gedächtnis vertilgen; und beide lieben einander
Künftig wie vor, und Fried und Reichtum blühen im Lande!
Also sprach er und reizte die schon verlangende Göttin;
Eilend fuhr sie hinab von den Gipfeln des hohen Olympos.
Jene hatten sich nun mit lieblicher Speise gesättigt.
Unter ihnen begann der herrliche Dulder Odysseus:
Gehe doch einer und seh, ob unsere Feinde schon annahn.
Also sprach er; und schnell ging einer von Dolios’ Söhnen,
Stand auf der Schwelle des Hauses und sahe sie alle herannahn.
Eilend rief er Odysseus und sprach die geflügelten Worte:
Nahe sind sie uns schon; wir müssen uns eilig bewaffnen!
Also rief er; da sprangen sie auf und ergriffen die Rüstung:
Vier war Odysseus’ Zahl und sechs von Dolios’ Söhnen.
Auch der alte Laertes und Dolios legten die Rüstung
An, so grau sie auch waren, durch Not gezwungene Krieger!
Und nachdem sie sich alle mit blinkendem Erze gerüstet,
Öffneten sie die Pforte und gingen, geführt von Odysseus.
Jetzo nahte sich Zeus’ blauäugichte Tochter Athene,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.
Freudig erblickte die Göttin der herrliche Dulder Odysseus.
Und zu dem lieben Sohne Telemachos wandt er sich also:
Jetzo wirst du doch sorgen, Telemachos, wenn du dahin kommst:
Daß du im Streite der Männer, wo sich die Tapfern hervortun,
Deiner Väter Geschlecht nicht schändest, die wir von Anfang
Immer durch Kraft und Mut der Menschen Bewundrung erwarben!
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Sehen wirst du es selbst, mein Vater, wenn du es wünschest,
Daß dies Herz dein Geschlecht nicht schändet! Wie kannst du das sagen!
Also sprach er; da rief mit herzlicher Freude Laertes:
Welch ein Tag ist mir dieser! Ihr Götter, wie bin ich so glücklich!
Sohn und Enkel streiten den edlen Streit um die Tugend!
Siehe, da nahte sich Zeus’ blauäugichte Tochter und sagte:
O Arkeisios’ Sohn, Geliebtester meiner Geliebten,
Flehe zu Vater Zeus und Zeus’ blauäugichter Tochter,
Schwinge dann mutig und wirf die weithinschattende Lanze!
Also sprach die Göttin und haucht’ ihm unsterblichen Mut ein.
Eilend flehte der Greis zur Tochter des großen Kronion,
Schwang dann mutig und warf die weithinschattende Lanze.
Und er traf Eupeithes am ehernwangichten Helme,
Und den weichenden Helm durchdrang die stürmende Lanze:
Tönend sank er dahin, von der ehernen Rüstung umrasselt.
Aber Odysseus fiel und Telemachos unter die Feinde,
Hauten und stachen mit Schwertern und langgeschafteten Spießen.
Und nun hätten sie alle vertilgt und zu Boden gestürzet;
Aber die Tochter des Gottes mit wetterleuchtendem Schilde,
Pallas Athene rief und hemmte die streitenden Scharen:
Ruht, ihr Ithaker, ruht vom unglückseligen Kriege!
Schonet des Menschenblutes und trennet euch schnell voneinander!
Also rief die Göttin; da faßte sie bleiches Entsetzen:
Ihren zitternden Händen entflogen die Waffen, und alle
Fielen zur Erd, als laut die Stimme der Göttin ertönte.
Und sie wandten sich fliehend zur Stadt, ihr Leben zu retten.
Aber fürchterlich schrie der herrliche Dulder Odysseus
Und verfolgte sie rasch, wie ein hochherfliegender Adler.
Und nun sandte Kronion den flammenden Strahl vom Olympos,
Dieser fiel vor Athene, der Tochter des schrecklichen Vaters.
Und zu Odysseus sprach die heilige Göttin Athene:
Edler Laertiad, erfindungsreicher Odysseus,
Halte nun ein und ruhe vom allverderbenden Kriege,
Daß dir Kronion nicht zürne, der Gott weithallender Donner!
Also sprach sie, und freudig gehorcht’ Odysseus der Göttin.
Zwischen ihm und dem Volk erneuete jetzo das Bündnis
Pallas Athene, die Tochter des wetterleuchtenden Gottes,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.
Anhang
Editorische Notiz
Die Übersetzung der ›Odyssee‹ durch den Schriftsteller und Übersetzer Johann Heinrich Voß (1751–1826) ist ihrerseits
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