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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wieder hinauswerfen, die es zwar geschafft haben, in das Gelände einzudringen, die sich jetzt aber mit Händen und Füßen wehren und darum betteln, dass man ihnen eine Chance gibt.
    Doch sie werden von den Soldaten hinaus in die Menge geschickt, die sich umgehend um die Leute schließt - niemand weiß, ob sie begrüßt oder verprügelt werden - und einen letzten Ansturm auf den Zaun unternimmt, der von den Soldaten mit aller Kraft gehalten wird. Ein paar ausgemergelte, aber wild entschlossene Männer klettern hinauf. Sofort folgen ihnen Dutzend weitere. Schnell reichen die Hiebe mit Gewehrkolben oder Gummiknüppeln nicht mehr aus, um die Flut einzudämmen. Die Handvoll Soldaten gerät in Panik. Plötzlich ertönt eine Gewehrsalve. Einer der Soldaten hat mitten in die Menge geschossen. Mehrere Menschen stürzen zu Boden. In einem unbeschreiblichen Gedränge weichen die Leute zurück. Schmerzensschreie werden laut. Fünf Gestalten, unter ihnen zwei Frauen, bleiben blutüberströmt im staubfeinen Sand liegen.
    Hinter dem verschlossenen Gitter richten Abou, Salah und die Patrouillensoldaten in schöner Eintracht ihre Uzis auf die wogende Menge, die nach allen Seiten davonhuscht wie dem Licht ausgesetzte Kakerlaken. Der Hauptmann der Patrouille brüllt ein paar Drohungen in seinem Dialekt hinter ihnen her, doch der Klang seiner Stimme zeugt eher von kaum verhaltener Panik als von der Aggressivität, die er eigentlich demonstrieren wollte. Er schießt noch einmal - dieses Mal in die Luft - und schlägt damit auch die hartnäckigsten Belagerer in die Flucht. Sie verschmelzen mit dem Sandsturm wie Gespenster, die in ihre düsteren Grabstätten zurückkehren.
    Als endlich wieder Stille eingekehrt ist, starren die Soldaten einander an. Nur der Wind heult. Draußen vor dem Tor stöhnen die Verletzten. Auf den staubigen Gesichtern der Soldaten zeichnen sich ihre Angst, ihre Müdigkeit und ihr Entsetzen ab. Keiner von ihnen weiß, wer geschossen und damit gegen alle Befehle gehandelt hat, und keiner scheint bereit zu sein, sich zu offenbaren.
    »Okay«, seufzt der Hauptmann der Patrouille und wischt sich mit einer schmutzigen Hand über das sandige Gesicht. »Hier ist nichts passiert. Alle Mann gehen auf ihre Posten zurück und vergessen, was los war.«
    »Und was ist mit den Toten und den Verwundeten, Herr Hauptmann?«, fragt Salah und weist mit dem Daumen über die Schulter auf die drei im Sand liegenden Leichen und die beiden Verletzten, von denen einer sich mit blutüberströmtem Bauch am inzwischen geschlossenen Gitter festzukrallen versucht. Der Hauptmann streift sie mit einem Seitenblick.
    »Ihre Verwandten werden sie holen kommen.«
    »Und wenn sie keine Verwandten haben?«, hakt Abou nach, dem die Aussicht, in diesem schrecklichen Sturm angesichts zweier Sterbender Wache schieben zu müssen, ganz und gar nicht gefällt.
    »Dann kümmern sich eben die Geier um sie«, erwidert der Hauptmann genervt. »Vorwärts, marsch, Männer. Wir setzen unsere Runde fort.«
    Die Patrouille verschwimmt im Sandsturm. Die Umrisse der Soldaten werden zunächst undeutlich, ehe die heftigen Windstöße sie vollends ausradieren. Abou und Salah bleiben allein in Gesellschaft dreier Leichen und zweier Verletzter zurück. Einer der beiden bewegt sich nicht mehr. Er liegt zusammengekrümmt auf dem Boden und atmet mühsam. Manchmal stöhnt er auf. Um ihn herum breitet sich ein großer Fleck dunkles Blut aus, das der durstige Sand gierig aufsaugt. Der andere klammert sich mit blutigen Händen an das Gitter und fleht die beiden Soldaten in einem ihnen unbekannten Dialekt an - möglicherweise ist es Senoufo.
    Obwohl Abou sich bemüht, befehlsgemäß hart zu bleiben und sein Mitgefühl mit aller militärischen Disziplin zu wappnen, kapituliert er schnell.
    »Salah, wir können den armen Kerl da nicht einfach so seinem Schicksal überlassen.«
    »Aber was willst du denn tun, Abou?«
    »Keine Ahnung. Ihn ins Lazarett bringen?«
    »Geht nicht.« Salah schüttelt den Kopf unter dem schützenden Tuch. »Wenn wir das Tor jetzt öffnen, sind alle sofort wieder da. Und wie willst du außerdem den Sanitätern den Verletzten erklären? Du hast den Hauptmann doch gehört - hier ist nichts passiert.«
    Abou beißt sich unter seinem Tuch auf die Lippen. Er wirft dem Verletzten einen Seitenblick zu. Er will vermeiden, dass der Mann glaubt, er interessiere sich für ihn, trotzdem scheint der Verwundete seinen Blick bemerkt zu haben. Erneut versucht er, sich mit

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