Ödland - Thriller
von Laghouat erreichten Laurie und Rudy endlich die Wüste, waren aber viel zu müde, um sie wirklich zu genießen.
Rudy hatte gehofft, Ghardaia noch vor Einbruch der Nacht zu erreichen, doch das dürfte nicht zu schaffen sein. Die Straße wird jetzt wieder sehr kurvig, die Fahrbahn ist oft versandet, und die Böschungen sind von Lastwagen beschädigt. Rudy zieht es vor, langsam zu fahren und sich an den Seitenrand zu flüchten, wenn die für Hassi R'Mel bestimmten und immer begleiteten Konvois überholen oder entgegenkommen, weil sie grundsätzlich mitten über die Straße brausen, als gehöre sie ihnen allein.
Nachdem sie früher am Tag die Berge des Ouarsenis-Massivs im strömenden Regen hinter sich ließen und das Wadi Cheliff bei Hochwasser auf einer Brücke überquerten, deren Fahrbahn fast von den tobenden, lehmigen Wassermassen überspült wurde, gönnten sie sich in Ksar El Boukhari einen lauwarmen Pfefferminztee und ein paar verbrutzelte Lammspieße, um sich ein wenig zu entspannen. Danach, so hofften sie, würden sie die Hochplateaus und vielleicht sogar den Sahara-Atlas als letzte Bastion gegen die Glutwinde der Wüste in kürzester Zeit schaffen. Dreißig Kilometer weiter mussten sie ihre Hoffnungen jedoch begraben. Der Lkw blieb auf einer vom übergelaufenen Stausee von Bougzoul überschwemmten Straße liegen.
Die schlammigen Wassermassen aus den Wadis Touil, Ouerk und Nahr-Ouassel, wo es keinerlei Vegetation mehr gibt, welche die Fließgeschwindigkeit mindern und eine Ufererosion verhindern könnte, hatten den Stausee schnell anschwellen lassen. Sintflutartige Regenfälle, die in dieser Region äußerst selten sind, hatten außerdem dafür gesorgt, dass auch die höher gelegenen, sumpfigen, von Mücken und Moderkraut verseuchten Teile des Sees schnell vollliefen. Das Wasser schwappte auf die N40 über, überschwemmte zur größten Überraschung seiner Bewohner das Dorf Bougzoul und machte die Nl kurz vor El-Krachem unpassierbar. Trotz der Warnungen im Radio und der Schilder auf der Straße war Rudy der Überzeugung, dass er den Mercedes schon durchbringen würde; immerhin verfügte der Lastzug über große Bodenfreiheit und einen eigens für Fahrten auf unbefestigten Pisten hoch angebrachten Tank. Rudy hätte es vermutlich auch geschafft, wenn er ordentlich Gas gegeben hätte. Doch stattdessen fuhr er viel zu langsam und vorsichtig in das braune Wasser hinein, das ihm irgendwann bis zu den Stoßfängern reichte. Der aufgeweichte Untergrund hielt dem Gewicht des Lkw nicht stand und sackte unter dem Vorderradantrieb in sich zusammen. Der Mercedes kippte vornüber, und das Wasser, das ihm in dieser Stellung bis fast zur Windschutzscheibe reichte, ertränkte den Motor.
Laurie sah ihren Auftrag bereits dahinschwimmen, und Rudy fühlte sich an den Albtraum der überfluteten Niederlande erinnert. Womit beide nicht gerechnet hatten, war die Solidarität der Lastwagenfahrer auf der Transsaharienne. Ein leer in Richtung Hassi R'Mel fahrender Tanklaster der Sonatrach raste in einer schlammigen Wasserfontäne an ihnen vorüber, hielt aber sofort an, als er das überschwemmte Straßenstück hinter sich hatte. Der Fahrer koppelte seinen Anhänger ab, fuhr mit seinem Tatra rückwärts in den Tümpel, sprang ohne viel Federlesen in die braune Brühe, die ihm bis zu den Schultern reichte, und fummelte im Wasser herum, bis er den Haken einer Seilwinde unter der Motorhaube des Mercedes befestigen konnte. Dann stieg er in sein Führerhaus und gab Vollgas. Zwar drehten die Reifen des Tatra durch und die Zugmaschine brach aus, doch sie plagte sich, bis sie qualmte, und schaffte es, den Mercedes aufs Trockene zu ziehen.
Rudy überschlug sich fast vor Dankbarkeit gegenüber dem Fahrer von Sonatrach - einem kleinen, fetten Mozabiten mit rasiertem Schädel, gepflegtem Bärtchen und üppigen, lächelnden Lippen - und hätte ihm am liebsten einen ausgegeben oder ihm etwas geschenkt, doch der Mann lehnte ab. Seinem Nächsten zu helfen sei eine der fünf Pflichten, die ihm die chahada auferlege, erklärte er. Vielleicht stecke er ja eines Tages einmal selbst im Sand fest und Rudy, inch'Allah, käme just in diesem Moment vorbei.
Nachdem der Motor gesäubert und wieder trocken war, konnten sie weiterfahren. Ohne weitere Vorkommnisse überquerten sie das Hochplateau, eine triste, verwüstete Steppe. In den ausgetrockneten Wadis wuchsen vereinzelt Luzerne, Gräser, Akazien und einige Palmen, sie sahen Ziegen, ein paar mickrige
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