Ödland - Thriller
Guter Gott, das ist doch wohl nicht möglich!«
»Wir sind absolut nicht verrückt. Unsere Mitglieder sind gute Menschen, die gegen das Unglück in der Welt ankämpfen und sich bemühen, verirrte Seelen auf den Pfad der Tugend und zu den schon von der Heiligen Schrift vorgegebenen moralischen Werten zurückzuführen. Sie haben doch wohl nichts gegen die Heilige Schrift?«
»Sie glauben doch nicht wirklich an diesen Firlefanz? Hat man Sie einer Gehirnwäsche unterzogen oder was? Wachen Sie endlich auf, meine Liebe! Die Göttliche Legion begeht Attentate! Und Pogrome! Sie ermordet Schwarze und Asiaten wie früher der KuKlux-Klan.«
»Aber das stimmt doch gar nicht!« Pamela zitiert so überzeugend wie möglich die auswendig gelernte Antwort aus dem Handbuch, das Nelson ihr überlassen hat. »Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass die Göttliche Legion je ein Attentat verübt hätte. Bei diesen Vorwürfen handelt es sich lediglich um Verunglimpfungen und Fehlinformationen, die Gegner des wahren Glaubens erfunden haben, um uns zu schaden. Der uns feindlich gesonnene internationale Dschihad...«
In diesem Augenblick taucht an der Wohnzimmertür ein hochgewachsener, muskulöser Schwarzer auf. Er trägt lediglich knappe Shorts - ein Aufzug, der ganz offenkundig zu dem unkeuschen Seidennegligé passt, in dem Mrs. Fonda sich präsentiert.
»Was ist los, Liebling? Ich habe gehört, dass es hier ein wenig laut wurde...«
»Ist das etwa ... Ihr Ehemann?«, stammelt Pamela.
Bruder Ezechiel hat ihr erklärt, dass auch die Seelen der Schwarzen gerettet werden können, wenngleich sie einer minderwertigen Rasse angehören. Wichtig sei, so sagte er, dass sie sich gottesfürchtig und voll Liebe zu unserem Herrn zeigten und so lebten wie die anderen Auserwählten Gottes - das heißt einem ehrlichen und ehrenwerten Beruf nachgingen. Man müsse, so hat Ezechiel gewarnt, den in den Enklaven lebenden Schwarzen gegenüber sehr vorsichtig sein, denn sie befänden sich häufig nicht nur in einer gehobenen gesellschaftlichen Position, sondern übten nicht selten sogar eine gewisse Macht aus, was auf ein Jahrhundert von Prinzipienlosigkeit und zügelloser Promiskuität zurückzuführen sei. »Natürlich erkennt Gott die Seinen, Salome. Aber hier auf Erden sind Sie die Hand und das Wort Gottes, und Sie werden unterscheiden müssen...«
»Sie stellen ausgesprochen indiskrete Fragen«, gibt Mrs. Fonda kühl zurück. »Ich denke, unsere Unterredung ist beendet. Wenn Sie so freundlich wären, Ihre geschmacklose Propaganda wieder einzupacken - der Ausgang ist dort drüben.«
Mit hochrotem Kopf rafft Pamela ihre Broschüren zusammen und verschwindet. Draußen vor der Tür notiert sie sorgfältig die Adresse. Schließlich ist es offensichtlich, dass diese Frau mit einem Angehörigen einer minderwertigen Rasse Unzucht treibt. Außerdem raucht sie, und vermutlich ist sie auch dem Alkohol nicht abhold. In diesem Haus hat sich Satan eingenistet!
Außerhalb ihres eigenen Viertels hat Pamela größere Schwierigkeiten. Niemand kennt sie, man hat sie noch nie gesehen und befürchtet, sie könne eine wie auch immer eingeschmuggelte Outerin sein, die versucht, ihren Ramsch an den Mann zu bringen. Pamela wird von Dienstboten abgewiesen, verängstigte Frauen, die allein zu Hause sind, öffnen ihr gar nicht erst die Tür, und zähnefletschende Hunde bellen sie an. Dank ihres Lächelns und ihrer eleganten Kleidung gelingt es ihr trotzdem, sich in das eine oder andere Haus einzuschmeicheln, ihre Prospekte in diverse Briefkästen zu werfen, einige Bücher und DVDs zu verkaufen und sogar offene, wenn nicht gar interessierte Ohren zu finden. Nach drei Stunden Klinkenputzen ist Pamela fix und fertig. Ihre Füße schmerzen bei jedem Schritt, und sie hat das Gefühl, genug getan zu haben. Immerhin hat sie 300 Dollar eingenommen, die Adressen von fünf Interessenten notiert und zwei »Schlupfwinkel Satans« entdeckt: den einen bei Mrs. Fonda, den anderen in einem von jungen, mit ziemlicher Sicherheit unter Drogen stehenden Leuten bewohnten Haus, die ihre Harsh-Musik bis zum Anschlag aufgedreht hatten - so laut, dass sie nicht einmal Pamelas Klingeln hörten. Noch ein Besuch, dann gehe ich heim, beschließt sie. Wie wäre es zum Beispiel mit dieser herrlichen, stilvollen, von einem gepflegten Park mit majestätischen Bäumen umgebenen Villa? Hier wohnen sicher reiche, untadelige Bürger - genau die Art Leute, die von der Göttlichen Legion besonders gern
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