Ödland - Thriller
seinen Rücktritt verlangen? Und was hat die NSA mit alledem zu tun? Hat er etwa nicht mit einem Abgesandten des Pentagons gesprochen? Woher wusste dieser Mr. Smith überhaupt, dass Fatimata um ein Treffen gebeten hatte? Wird vielleicht sein Telefon abgehört? Könnte es sein, dass Mr. Smith ein doppeltes Spiel spielt? In welche Intrige ist er da hineingeraten?
Der Anschlag
Christian Harbulot, ein französischer Theoretiker des Krieges mit den Mitteln der Information, erklärte in einem 2004 gegebenen Interview: »Das amerikanische System wurde in einem monokulturellen Rahmen und für eine Beziehung zwischen Stark und Schwach konzipiert, ohne auf die Besonderheiten anderer Kulturen Rücksicht zu nehmen.« Diese sehr zutreffende Bemerkung trug bereits dem Keim der Selbstzerstörung des amerikanischen »Imperiums« Rechnung. Aus der gleichen Geisteshaltung heraus wurden das Römische Reich von allen Seiten her unterwandert, das napoleonische Reich durch vereinigte Kräfte aufgerieben und das Dritte Reich in den Untergang getrieben. Nachdem das amerikanische Imperium auf allen Ebenen von den »anderen Kulturen«, und zwar denen der vermeintlich »Schwachen«, bekämpft und abgelehnt wird, ist es heute nur noch der blutleere Schatten seiner selbst, der geisterhaft in den Ruinen seiner großen Vergangenheit herumspukt und ungenaue, lächerliche Drohungen ausstößt.
Deborah Moore, Das Ende des Imperiums (2027)
Fatimata erhält die Nachricht bei einem Frühstück mit Laurie und Rudy in einem Café in der Nähe des Präsidentenpalastes durch einen Anruf der phlegmatischen Yéri Diendéré.
»Fatimata, ich habe den Bürgermeister von Kongoussi in der Leitung. Er ist völlig aus dem Häuschen. Ich stelle ihn durch.«
»Hallo? Frau Präsidentin?«
»Ja, Monsieur Zebango. Was ist los?«
»Meine Ehrerbietung, Madame. Möge es Ihnen und den Ihren wohlergehen...«
»Schluss mit dem Gesäusel. Sagen Sie mir lieber, was passiert ist.«
»Oh, Madame, es ist ganz schrecklich! Die Baustelle ist sabotiert worden. Außerdem ist Ihr Sohn Moussa verschwunden.«
»Was? Was heißt verschwunden?«
Mit abgehackten Worten erklärt der Bürgermeister, dass die Arbeiter am Morgen weder den Motor der Winde noch die Turbine des Bohrmeißels in Betrieb nehmen konnten, weil beides nicht funktionierte. Die Schläuche des Luftkompressors waren geplatzt. Dass es sich um böswillige Zerstörung handelt, ist so gut wie sicher, zumal die Vorarbeiter und ihr ausländischer Chef, die Moussa gleich zu Beginn der Arbeiten angeheuert hatte, nicht zum Dienst erschienen sind. Als auch Moussa nicht auf der Baustelle auftauchte, ging man zu ihm nach Hause. Aber dort fand man ihn nicht. Sein Bruder Abou, der früh aufgestanden war, um rechtzeitig in der Garnison zu sein, erklärte, dass Moussa noch fest geschlafen habe, als er aufbrach, dass er jedoch unbedingt vorhatte, gleich zu Arbeitsbeginn auf der Baustelle zu sein, weil er mit der Bohrung anfangen wollte. Die Polizei ist sich sicher, dass Moussa am frühen Morgen gekidnappt wurde. Als die Patrouille, die nachts die Baustelle bewacht, von der Polizei befragt wurde, gab sie zu, dass sie zwei der ausländischen Vorarbeiter auf das Gelände gelassen habe. Die Männer hatten behauptet, Verzeichnisse für den Chef holen zu wollen, und wiesen ein von Moussa Diallo-Konaté unterzeichnetes Papier vor, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um eine Fälschung handelte.«
Fatimata hört zu, während ihre Augen ziellos in die Runde irren. Sie sitzt mit ihren Gästen im Hinterhof eines kleinen Verkaufsstands für Dinge des täglichen Bedarfs, in dessen von einer Laube beschattetem und mit Bambus abgegrenztem Garten ein einfaches Café eingerichtet ist. Abgesehen von Laurie und Rudy sitzen noch fünf weitere Leute an dem einzigen, langen Tisch. Die Präsidentin liebt es, hier ihren in einer halben Schale gezuckerter Kondensmilch aufgelösten Nescafé zu trinken; es ist das Getränk, das in Burkina seit einem halben Jahrhundert als Milchkaffee bezeichnet wird. An diesem Ort kommt ihr alles Mögliche zu Ohren - Beschwerden, Lob oder Kritik -, und sie informiert sich über die Ansichten der Durchschnittsbürger zu ihrer Regierung und ihrer Politik. Zwar fasst man sie durchaus nicht immer mit Samthandschuhen an, aber noch nie hat sie sich so bedroht gefühlt, dass sie Leibwächter für nötig gehalten hätte. Rudy allerdings ist der Meinung, dass jeder Mensch Feinde hat, und beobachtet vorsichtshalber aus dem
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