Ödland - Thriller
Augenwinkel die fünf Burschen, die am Tisch sitzen und ihre Kondensmilch schlürfen. Sie scheinen übereingekommen zu sein, die Präsidentin nicht erkennen zu wollen und auch die beiden Weißen in ihrer Begleitung zu ignorieren. Laurie ihrerseits beobachtet Fatimata, denn an ihrer besorgten Miene kann sie erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt, obwohl sie das auf Moré geführte Gespräch nicht versteht.
Die Präsidentin beendet das Telefonat und steckt mit versteinertem Gesicht ihr Handy in ihren Boubou.
»Ärger?«, erkundigt sich Laurie. »Unangenehme Nachrichten?«
»Kehren wir zum Palast zurück. Ich erkläre es Ihnen unterwegs.« Sie wirft den anderen Kunden, die am Tisch sitzen und schweigend ihren Milchkaffee trinken, einen vorsichtigen Blick zu. »Inzwischen misstraue ich schon allem und jedem.«
Auf dem Rückweg zum Regierungsgebäude klärt sie Laurie und Rudy über die Situation auf und macht auch keinen Hehl aus ihren Zweifeln und Bedenken. Seit sie weiß, dass die NSA im Land agiert, neigt sie dazu, hinter jedermann, bekannt oder unbekannt, einen Verräter oder Spion zu vermuten. Ihr Misstrauen macht auch vor Regierungsmitgliedern nicht Halt. Besonders ihr kommissarisch eingesetzter Premierminister bereitet ihr Kummer. Gestern kam er ihr ausgesprochen unentschlossen, wenn nicht gar zweideutig vor. Aufgrund seines Charakters hätte sie erwartet, dass er sofort zu drastischen Maßnahmen greifen würde - die Eingangskontrollen am Präsidentenpalast verstärken, die amerikanische Botschaft überwachen, Polizei und Armee in höchste Alarmbereitschaft versetzen, alle Ausländer verhaften lassen. Doch im Gegenteil zu seiner sonstigen Art wirkte er lasch und wenig überzeugend. Er versprach, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, behauptete aber, nicht genau zu wissen, in welche Richtung er ermitteln solle, und fragte, ob die Präsidentin einen bestimmten Verdacht habe und ob sie die ganze Angelegenheit nicht eher für einen schlechten Scherz halte. Fatimata musste ihn zur Ordnung rufen und drohte ihm an, ihn zu entlassen, wenn sie in irgendeiner Weise vor ihm fündig würde. Als Victor Kawongolo ging, schien er sehr aufgewühlt zu sein, als hätte er Schwierigkeiten, die neuesten Informationen zu verdauen. Eine solche Haltung passte ganz und gar nicht zu diesem sonst so aufrichtigen Mann. Wo war sein Kampfgeist geblieben? Im ersten Augenblick schob Fatimata die Veränderung auf die Krankheit seiner Frau, die sich möglicherweise verschlechtert hatte und ihm Sorgen bereitete. Inzwischen aber fragt sie sich, ob nicht auch er ... Und Moussa? Gekidnappt oder geflohen? Nein, nicht doch! Moussa bestimmt nicht ... Wenn aber die NSA ihm goldene Brücken gebaut und ihm eine großartige Karriere in den USA versprochen hätte? Würde er seine eigene Mutter für ein Luftschloss verraten? Könnte der Westen ihn tatsächlich so weit verdorben haben? Nein, nein, daran möchte sie wirklich nicht denken!
Wie dem auch sei - die Nachricht von Lauries Bruder war kein Scherz, denn inzwischen gibt es handfeste Beweise. Als Erstes würde Fatimata General Kawongolo und den Innenminister in den Palast zitieren und verlangen, dass alle zur Verfügung stehenden Mittel sowohl militärischer als auch polizeilicher Art angewendet würden, um ihren Sohn und die Verantwortlichen für den Anschlag zu finden.
Im Palast wartet eine weitere, unangenehme Überraschung auf sie.
Es ist ein Päckchen, das ein Motorrollerkurier gebracht hat und das auf Yéris Schreibtisch liegt.
»Eine Bombe«, sagt Rudy sofort. »Öffnen Sie das auf keinen Fall, Madame.«
»Sie haben recht. Inzwischen scheint mir alles möglich.«
Fatimata lässt den Präsidentenpalast evakuieren und ruft General Kawongolo, der mit einem Minenräumkommando erscheint. Das Päckchen wird unter höchsten Vorsichtsmaßnahmen in den Hof gebracht und aus der Deckung heraus mit ferngesteuerten Werkzeugen geöffnet.
Das Paket explodiert jedoch nicht. Die Männer nähern sich vorsichtig. Im Päckchen liegen ein in Stoff eingewickeltes Objekt und ein Umschlag, der an die »Frau Präsidentin« adressiert ist. Nachdem sichergestellt ist, dass der Umschlag tatsächlich nichts anderes enthält als einen Brief, machen sich die Leute vom Minenräumdienst mit Gasmasken und unendlicher Vorsicht daran, den Stoff auseinanderzufalten. Inzwischen liest Fatimata den in englischer Sprache verfassten Brief.
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Ihr Sohn befindet sich in unseren Händen. Den
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