Ödland - Thriller
Militärfahrzeug zur Verfügung zu stellen - und fahren in Richtung Ouagadougou. Salah, der von Abou über alles in Kenntnis gesetzt worden ist, wundert sich daher nicht, als er Rudy fragen hört:
»Wie ist es, Abou? Hast du diese Nacht von dem Ort geträumt, wo Moussa festgehalten wird?«
Der kleine Bruder wiegt leise zweifelnd den Kopf.
»Ich habe von einem Dorf geträumt. Einem Dorf im Buschland. Die Baobab-Gruppe liegt nicht weit entfernt.«
»Weißt du den Namen des Dorfes?«
Abou schüttelt den Kopf.
»Das bringt uns allerdings nicht viel weiter«, wendet Salah ein. »Die Dörfer im Buschland sehen doch alle gleich aus!«
»Ich bin überzeugt, dass ich es wiedererkenne. Außerdem wird Großmutter uns helfen.«
Salah nickt. Rudy enthält sich jeglichen Kommentars, denn nach dem, was er am Vortag erlebt hat, würde es ihn nicht wundern, wenn zwischen Hadé und Abou eine Art telepathische Verbindung bestünde. Mit Sicherheit würden sie das Dorf finden, ohne kreuz und quer durch die Savanne fahren zu müssen. Was ihn allerdings wirklich beunruhigt, ist ihre armselige Bewaffnung. Die beiden jungen Soldaten haben ihre Dienstwaffe dabei, eine Uzi made in Taiwan, die im Nahkampf einfach und wirksam ist, jenseits der Zehnmetermarke jedoch ziemlich unpräzise wird, zumal, wenn sie nicht mit einem Laserzielgerät ausgestattet ist. Rudy selbst hat zwar seine Luger, allerdings sind nur noch zwei Magazine übrig. Er hofft, dass die Entführer nicht auf einen Angriff vorbereitet und daher nicht verteidigungsbereit sind, denn lediglich der Überraschungseffekt könnte sich zu ihren eigenen Gunsten auswirken.
Wenige Kilometer hinter Kongoussi greift Abou plötzlich nach Rudys Arm.
»Da vorn bitte rechts.«
Rudy biegt auf eine miserable Piste ab, die sich zwischen vertrockneten Feldern und sterbenden Akazien durch die Savanne schlängelt. Schnell erreichen sie einen kleinen Weiler, der früher einmal sehr hübsch gewesen sein mag, denn er liegt in der Mitte mehrerer Baumgruppen, die heute allerdings nur noch kargen Schatten spenden.
»Nein, das ist es noch nicht«, erklärt Abou. »Wir müssen weiter.«
Unter den neugierigen Blicken seiner Bewohner fährt der Hyundai mitten durch das Dorf und scheucht dabei ein paar rachitische Hühner und einige Ziegen auf, die nur noch aus Haut und Knochen bestehen. Spindeldürre, zerlumpte Kinder rennen hinter dem Auto her, geben aber rasch auf. Am Dorfausgang teilt sich das staubige Sträßchen in drei Überlandpisten. Abou kneift konzentriert die Augen zusammen, weist jedoch, ohne zu zögern, auf die mittlere Straße.
Es geht in die Hügel hinauf. Die Piste wird immer schlechter. Tiefe Risse wechseln sich mit großen Schadstellen ab, oft ist die Fahrbahn durch Geröll oder Sandhaufen blockiert, manchmal taucht sie unvermutet steil ab, um einen trockenen Flussarm zu queren, dann wieder geht es ebenso steil bergauf, mal auf felsigem Untergrund, mal auf sandigen, vom Wind blank gefegten Streckenabschnitten. Rudy kommt nur im Schritttempo vorwärts, denn das kleine Stadtauto ist hoffnungslos überfordert. Der Motor stottert, die Karosserie schrammt über Steine, die Federn ächzen. Rudy fürchtet, dass jeden Augenblick ein Reifen platzen, eine Achse brechen oder ein Stoßdämpfer den Geist aufgeben könnte.
Als er sich vorsichtig in eine versandete Senke tastet, bemerkt er Spuren. Er steigt aus, um sie näher zu betrachten. Sie sind relativ frisch. Im Lateritstaub ist deutlich erkennbar, dass es sich um ziemlich neue Reifen handeln muss. Lächelnd steigt Rudy wieder ein.
»Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg.«
»Ich bin mir da sogar ganz sicher«, trumpft Abou auf. Nach vielen holprigen Kilometern durch die vom Harmattan blank gescheuerten Hügel kommt ein weiteres Dorf in Sicht. Es liegt am Fuß einer Erhebung und ist ebenfalls von vertrockneten Feldern und blattlosen Baumgruppen umgeben. Abou legt Rudy die Hand auf den Arm.
»Hier ist es.«
Rudy hält an. Alle drei beobachten das Dorf. Sie folgen mit den Augen der Piste, die sich in schroffen, teilweise eingestürzten Spitzkehren bergab hangelt. Mit dem Hyundai kommen sie hier nicht durch! Sie suchen das Gelände ab, das bereits in der aus dem Tal aufsteigenden Hitze flimmert. Salah sieht sie als Erster.
»Dort drüben! Fünf, nein, sechs Baobabs. Und dazwischen liegen Gebäude.«
Abou nickt mit zusammengepressten Lippen. Rudy bedauert zutiefst, dass sie kein Fernglas dabeihaben. Das ist vielleicht ein Kommando!
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