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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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schnappen. Von seinem Standort aus, vor einem Hintergrund aus wirbelnden Rauchschwaden, die von vereinzelt durch die geschlossenen Läden dringenden Sonnenstrahlen gestreift werden, kommen ihm Abou und Hadé wie zwei Heiligenfiguren vor, wie die lebendigen Abbilder eines weiblichen Buddhas und ihres vor ihr knienden Schülers. Er hat den Eindruck, ein chinesisches Schattenspiel zu betrachten, eine Projektion, deren Ursprung sich ... weit weg befindet. Selbst ihre Stimmen klingen vernebelt, erstickt und fern.
    »Was siehst du, Abou?«
    »Ich sehe ... Bäume.«
    »Was für Bäume?«
    »Große Bäume ... Baobabs.«
    »Und weiter?«
    »Am Fuß eines Baobabs ist etwas. Eine Hütte?«
    »Eine Hütte? Bist du ganz sicher?«
    »Ja ... Nein. Es ist ein Speicher, ein Hirsespeicher. Eine Ruine.«
    »Richtig, Abou. Geh jetzt näher ran und sieh hindurch!«
    »Ja, Großmutter. In dem Speicher ist etwas. Etwas ... Lebendiges.«
    »Richtig, Abou. Und jetzt geh noch näher.«
    »Es ist ... ein Tier? Nein. Es ist ... Oh, es ist Moussa!«
    »Gut, Abou! Aber pass auf, lass dich nicht von deinen Gefühlen übermannen, sonst verschwindet die Vision. Konzentriere dich. Atme. Atme. Schau mir in die Augen ... Gut. Was siehst du jetzt?«
    »Irgendwelche Dinge am Fuß der Bäume ... Sind es Gebäude? Ich kann es nicht mehr gut erkennen.«
    »Du musst dich konzentrieren. Atme ... und schau hin.«
    Plötzlich geht Abous Atem stoßweise und schwer. Er zittert. Seine Lider beginnen zu flattern, er hustet ... und dann sinkt er um Luft ringend und krampfend auf der Matte zusammen.
    Rudy ist mit einem Satz auf den Beinen.
    »Hey! Was hat er? Wir müssen irgendetwas tun!«
    »Geben Sie ihm ein wenig Wasser, wenn Sie möchten«, sagt Hadé mit müder Stimme. »Und lüften Sie den Raum ...«
    Sie liegt träge in ihrem Sessel. Ihre Augenlider sind geschlossen, und sie scheint außer Atem zu sein.
    Hastig öffnet Rudy den Vorhang und alle Fensterläden, taucht eine Kalebasse in das tönerne Wassergefäß und besprüht Abous Gesicht, ehe er versucht, ihm zu trinken zu geben. Mit viel Mühe flößt er ihm erst einen, dann einen zweiten Schluck ein. Abou blinzelt, öffnet die Augen, hustet noch einmal und atmet tief und erlöst die warme Luft, die aus dem Hof hereindringt. Der bräunliche Rauch verflüchtigt sich allmählich.
    Schließlich gelingt es Abou, sich aufzusetzen. Ein wenig zittrig lächelt er seine Großmutter an, die noch immer mit geschlossenen Augen dasitzt, und dann Rudy, der ihn stützt.
    »Geht schon«, sagt er. »Ich habe Schlimmeres erlebt. Manchmal drückt sie meinen Kopf direkt in den Rauch.«
    Er zeigt auf den Fetisch, aus dem jetzt wieder das bläuliche, nach unbekannten Kräutern duftende Rauchgekräusel aufsteigt.
    Als Rudy ganz sicher ist, dass es Abou wieder gut geht, nähert er sich der Großmutter, die reglos in ihrem Sessel ruht.
    »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Madame? Kann ich ...«
    Er bricht ab. Hadés Antwort ist ein ruhiges Schnarchen.
    Abou macht Rudy ein Zeichen, die Hütte zu verlassen und seine Großmutter schlafen zu lassen.
    »Es ist sehr ermüdend, ins Bangré zu sehen«, erklärt er draußen im Hof. Sie blinzeln in die grelle Sonne. »Außerdem wird meine Großmutter langsam alt. Deshalb hat sie auch angefangen, mich einzuweisen, denn das Wissen muss weitergegeben werden. Man darf es nicht für sich behalten.«
    »Apropos nicht für sich behalten: Es gibt da etwas, das sie mir noch hätte erklären sollen. Was sind das für böse Kräfte, die ich ihrer Meinung nach bekämpfen soll?«
    »Ich habe da so eine Ahnung, allerdings weiß ich nicht, ob ich es dir sagen darf. Ich werde sie beim nächsten Mal danach fragen.«
    Rudy schneidet eine verärgerte Grimasse.
    »Nach allem, was ich gesehen habe, kannst du es mir sicher sagen, Abou. Mich geht es doch ebenso an wie dich, oder?«
    »Nein, denn du bist nicht eingewiesen.«
    »Pah! Aber das, was du im Rauch gesehen hast, darfst du mir doch hoffentlich sagen.«
    »Natürlich, denn deswegen sind wir ja hergekommen.«
    Nachdem sie sich von Hadés Assistentinnen Bana und Magéné verabschiedet und den im Hof wartenden Patienten eine gute Besserung gewünscht haben, steigen sie wieder in den kleinen, am Hoftor geparkten Hyundai. Obwohl sie die Fenster offen gelassen hatten, herrscht im Innenraum eine Bullenhitze, der die Klimaanlage kaum beikommen kann.
    »Dann schieß mal los«, fordert Rudy Abou auf, während sie die sterbende Stadt durchqueren. »Ich hoffe, du erinnerst

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