Ödland - Thriller
versöhnen. Es geht daher nicht an, dass Sie mich um etwas bitten, das einem anderen Menschen Schaden zufügt oder Unrecht und Leiden hervorruft - und vor allen Dingen nichts, das tötet.«
Rudy nickt zustimmend, erlaubt sich jedoch eine Frage.
»Ich verstehe durchaus, allerdings dürfte sich unter Ihren Fetischen und Masken sicher die eine oder andere finden, die tödlich wirkt. Zum Beispiel diese hier ...«
Er zeigt auf eine Maske, die auf einem Bastknäuel ruht und von einer zwei Meter hohen Holzklinge überragt wird. Die menschenähnlichen Gesichtszüge sind mit schwarz umrandeten Augen ausgestattet, die zu halluzinieren scheinen, und drohen mit einem weit aufgerissenen, eckigen, mit spitzen Zähnen bewehrten Mund.
»Sie haben recht. Diese und viele andere - eigentlich alle, bis auf diejenigen, die zu profanen Zwecken benutzt werden, zum Tanz, zu fröhlichen Festen und bei Hochzeiten. Aber die anderen ... alles hängt von dem Geist ab, der in ihnen wohnt, und was man von ihm fordert.«
»Aber Großmutter«, wendet Abou ein, »hast du mir nicht erklärt, es gebe lediglich einen einzigen Geist - es gebe nur Wendé? Und dass alles andere nur Kräfte sind, die weder Gut noch Böse kennen, und dass es an uns bangbas liegt, sie richtig zu lenken?«
»Richtig, mein Sohn. Ich habe dir das gesagt, weil du noch nicht alles weißt. Diese Kräfte stammen nicht einfach aus dem Nichts, sondern werden von einem Bewusstsein gesteuert. Doch das jeweilige Bewusstsein ist nicht menschlicher Natur. Nach dem Tod ist der menschliche Geist nicht mehr Mensch, ebenso wenig wie der Geist einer Gazelle nach ihrem Tod noch Gazelle oder der Geist eines Löwen nach seinem Tod noch Löwe ist. Im Bangré ist nichts Menschliches oder Irdisches - jedenfalls nichts, was du mit deinem normalen Bewusstsein erfassen kannst. Wenn du im Bangré Dinge siehst, die dir bekannt vorkommen, dann sind das nur Erscheinungsformen, Karikaturen und Interpretationen. Genau wie diese Masken hier nur Interpretationen sind. Daher ziehe ich es vor, von Kräften anstatt vom Geist zu sprechen. Hast du das verstanden?«
Abou nickt langsam. Rudy bemüht sich, das Gespräch auf den Grund ihres Kommens zu lenken.
»Ist hier die Rede von den Kräften, die ich bekämpfen soll, wie Sie mir vor ein paar Tagen nahegelegt haben?«
Hadé blickt ihn an, als hätte sie Mühe, sich zu erinnern. Schließlich lächelt sie.
»Nein, Rudy. Das, was Sie bekämpfen müssen, ist sehr lebendig und wirklich boshaft.«
»Anthony Fuller?«
»Wer?«
»Fuller - der Mann, der den unterirdischen See für sich reklamiert.«
»Ah, jetzt verstehe ich.« Hadé lächelt wieder. »Ihr seid seinetwegen hier, nicht wahr?«
»So ist es«, gibt Rudy zu. »Anlässlich von Moussas Entführung ist mir eine Idee gekommen. Ich weiß, dass Fuller hinter dieser Sache steckt, und ich würde ihm gern Gleiches mit Gleichem vergelten. Ihm soll nichts passieren, ich würde ihn nur gern zwingen, nach Burkina Faso zu kommen. Er soll selbst sehen, wie es hier zugeht, und feststellen, wen er mit seinen kleinen Komplotten hereinzulegen versucht. Allerdings glaube ich kaum, dass er die Reise aus freien Stücken unternehmen würde; der Vorstand eines ww-Großkonzerns beschmutzt sich schließlich nicht die teuren Designerschuhe, indem er freiwillig einen Fuß ins Elend setzt. Daher habe ich mir überlegt, ob nicht irgendetwas hier - ein Amulett, ein Talisman, was weiß ich? - seinen Willen zu beugen vermag, sodass er gar nicht anders kann, als herzukommen. Ich werde ihn in drei Tagen auf den Bahamas treffen und könnte ihm dann das Objekt zustecken, das Sie mir geben würden ... Was halten Sie von der Idee?«
Hadé sitzt mit geschlossenen Augen in ihrem niedrigen Sessel. Lange Zeit sinnt sie über ihre Antwort nach. Hätte Rudy sie nicht schon in dieser Haltung gesehen, würde er glauben, dass sein langer Monolog sie entweder eingeschläfert hat oder dass ihr seine Pläne bezüglich Fuller ziemlich gleichgültig sind. Abou hat ihm jedoch erklärt, dass Hadé in ihrem Innern die Geister und die Ahnen befragt, um eine Entscheidung zu treffen. Und so macht Rudy es sich auf seiner Matte bequem und richtet sich auf eine lange Wartezeit ein.
Schließlich öffnet Hadé die Augen und richtet sie sofort auf Rudy, obwohl dieser inzwischen den Platz gewechselt hat.
»Es ist möglich«, sagt sie langsam. »Ich weiß zwar nicht, ob sich die Situation dadurch entscheidend verbessern wird, aber in jedem Fall wird Fuller
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