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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dadurch ein Stück weit dem Einfluss entzogen. Er könnte sogar ein Verbündeter werden.«
    »Also, das bezweifle ich nun wirklich. Aber wenn Sie es sagen!«
    »Gut, ich werde Ihnen etwas mitgeben. Ein Fetisch wäre unangebracht, weil man ihn beim Zoll zurückhalten könnte, ihn betasten, auseinandernehmen und von Ihnen eine Erklärung erwarten würde. Außerdem wäre er Fuller vielleicht suspekt.« Hadé steht auf und lässt den Blick durch die Hütte schweifen. »Aber ich habe etwas anderes. Würdet ihr bitte hinausgehen? Ich rufe euch, wenn alles bereit ist.«
    Rudy steht auf, Abou bleibt sitzen.
    »Du auch, mein Sohn. Du hast noch nicht genügend Macht für das, was ich jetzt tun werde. Es könnte dich vernichten.«
    Bedauernd folgt Abou Rudy nach draußen. Gemeinsam setzen sie sich auf die Bank, auf der sich tagsüber die Patienten unter dem grünen Laub der Tamarinde drängen. Der Mond leuchtet hell. Nicht der leiseste Windhauch streift durch die Blätter. Die Nacht ist so still ... Kein Laut, weder menschlicher noch tierischer Natur, stört das Schweigen, das vom Zirpen einiger Insekten nur unterstrichen wird. Auch in der Hütte von Hadé, der sie genau gegenübersitzen, herrscht völlige Stille. Kein merkwürdiger Rauch steigt auf, und auch der schwache Lichtschein, der durch die Fensterläden dringt, verändert sich nicht. Vielleicht ist Hadé ja inzwischen wirklich eingeschlafen ... Gerade will Rudy dem unruhig wirkenden, fröstelnden Abou gegenüber eine entsprechende Bemerkung machen, als ein lang gezogener Schrei die Stille zerreißt. Der Schrei, der aus weiter Ferne zu kommen scheint und nichts Menschliches an sich hat, so als stamme er aus den Tiefen der Savanne, endet mit einem irren Lachen. Dann ertönt er erneut, dieses Mal beängstigend nah. Abou zittert am ganzen Körper. Er hat die Stirn in den Händen verborgen. Rudy spürt, wie sich seine Nackenhaare aufstellen. Gern würde er aufstehen, doch seine Knie sind so weich, dass seine Beine ihn nicht tragen würden. Der unmenschliche Schrei ertönt zum dritten Mal, so nah, dass er aus dem Hof selbst zu kommen scheint. Rudy möchte wenigstens den Kopf drehen, doch er ist völlig gelähmt. Sein Herz pocht rasend in seiner Brust, eiskalter Schweiß sickert seinen Nacken hinunter, und er wird von einer entsetzlichen, nie gekannten Angst gepackt, die seine Augen aus den Höhlen treten lässt und ihm die Luft abschnürt ... Der Mond ist hinter Wolkenschleiern verschwunden. Ein Leichentuch aus Finsternis hat sich über den Hof gesenkt, das alles bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die dunkelsten Ecken scheinen zu pulsieren, man erahnt bewegliche Schatten, die unsägliches Entsetzen verbergen könnten ... Die Stille ist jetzt keine Ruhe mehr, sondern ein tödliches Schweigen. Selbst das Zirpen der Insekten ist verstummt.
    Nur sehr langsam hebt sich der Schleier aus Schrecken und Finsternis und schwindet zögernd dahin. Abou hebt den Kopf, Rudy kann wieder atmen. Er schafft es sogar, aufzustehen und einige Schritte zu gehen. Heiter scheint der Mond am klaren Nachthimmel. Die Insekten zirpen. Eine leichte Brise raschelt in den Blättern der Tamarinde, und die Schatten sind nichts weiter als Schatten.
    »Was ist passiert, Abou?«, fragt Rudy im Flüsterton. Er schlottert am ganzen Körper.
    »Eine Hyäne ... Der Schrei - das war eine Hyäne.«
    »Eine Hyäne? Hier in der Stadt? Aber doch keine ganz normale Hyäne, oder?«
    »Nein, keine normale.«
    Abou klappert so sehr mit den Zähnen, dass er kaum zu verstehen ist. Mit dem Kopf deutet Rudy auf Hadés Hütte, wo sich offenbar nichts verändert hat.
    »Meinst du, wir sollten lieber einmal nachsehen?«
    »Nein. Wir warten, bis sie uns ruft.«
    Wenige Minuten später ist es so weit. Die Silhouette der korpulenten alten Dame erscheint in der erleuchteten Tür. Rudy und Abou folgen ihr ins Haus. Sie hat stark geschwitzt; ihr Gang wirkt schwerfällig und erschöpft. Mit müder Hand zeigt sie auf eine Maske, die neben dem großen Lehmfetisch am Boden liegt.
    Es ist ein Hyänenkopf.
    Die stark stilisierte Maske ist aus schwarz, gelb und rot bemaltem, mit Flecken in geometrischen Mustern verziertem Holz. Sie sieht sehr alt aus und hat Patina, doch die verblassten Farben sind noch gut erkennbar: der schwarze Fang, die längliche Schnauze mit den spitzen Reißzähnen, die kleinen runden Ohren und die kurze, gesträubte Mähne, die möglicherweise aus echtem Hyänenfell besteht.
    »Das ist ein soukou, eine schwarze Maske

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