Ödland - Thriller
Und wenn doch - dumm gelaufen! Immerhin haben die Kameraden dieses Soldaten mehrere Bewohner der Garnison gleich beim Aufstehen massakriert. Vielleicht ja auch Salah ...
Félicités Motorroller steht noch in der Garage, gleich neben dem Pick-up des Bürgermeisters. Im Tank befindet sich kaum noch Ethanol, aber Abou hat erst vor ein paar Tagen seinen Wehrsold bekommen und verfügt über ausreichend Geld für eine Tankfüllung.
Er hängt sich das Gewehr über den Rücken, startet, steigt auf den Roller und verlässt in aller Eile den Hof in Richtung Ouahigouya.
Vorsorgliche Maßnahme
An das Volk von Burkina Faso
Mit dem heutigen Tag hat ein der Größe unseres Vaterlandes und den Grundwerten von Recht und Fortschrittlichkeit verpflichtetes Militärbündnis die ungerechte, schwache und korrupte Regierung von Fatimata Konaté abgelöst. In Kürze soll das Volk in einer freien, demokratischen und transparenten Wahl über eine neue Regierung abstimmen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird General Victor Kawongolo die Staatsgeschäfte übernehmen. Um den Einfluss schlechter Propaganda zu unterbinden, wird die Pressefreiheit vorläufig aufgehoben. Radio und Fernsehen unterstehen der Kontrolle des Staates, Telefon und Internet sind vorübergehend blockiert. Sobald im gesamten Land die Rechtsstaatlichkeit abgesichert ist, werden alle Beschränkungen aufgehoben.
Ouagadougou, den 20.12.2030
Laurie ist im Gefängnis gelandet.
Aus »Mitgefühl«, vielleicht weil sie Europäerin ist, hat man sie nicht mit den anderen verhafteten Frauen zusammengelegt, sondern ihr eine eigene Zelle gegeben - ein finsteres, verdrecktes Loch, in dem es nach Urin und schalem Schweiß riecht und das vor Fliegen und anderem Ungeziefer nur so wimmelt. Eine schimmelige Matratze bietet die einzige Bequemlichkeit, ein Eimer ohne Wasser und ein ekelerregendes Loch sind die einzigen Zugeständnisse an so etwas wie Hygiene. Wenn das die Vorzugsbehandlung ist - unter welchen Bedingungen mögen dann erst die anderen vegetieren?
Seit mehreren Stunden kauert Laurie bereits in der finsteren Zelle, fühlt sich klamm und schmutzig und hat Durst. Zwar hat man ihr einen Becher Wasser gegeben, doch die Brühe war lauwarm, hatte einen abgestandenen, schlammigen Geschmack und reichte längst nicht. Laurie hat keine Ahnung, welches Schicksal ihr bevorsteht. Während der Fahrt im schaukelnden, mit Gefangenen vollgestopften Lastwagen durch die Straßen von Ouaga ahnte sie den Grund für ihre Verhaftung. Sie entdeckte Militärpatrouillen, die die wichtigsten Verkehrsadern kontrollierten, Panzer, die strategische Standorte wie den Rond Point des Nations Unies, den Boulevard de la Revolution, den Präsidentenpalast, den Flughafen, die Ministerien und das Gebäude des staatlichen Fernsehens sicherten, und sah die überall aushängenden Plakate, deren Text sie zwar nicht lesen konnte, die sich aber in großen Lettern an das »Volk von Burkina Faso« wandten. Sie wurde Zeugin von Massenverhaftungen und sah Menschen, die von Soldaten geschlagen, ins Visier genommen und abgeknallt wurden. Während des langen, mühseligen Transports durch Höllenhitze und scheuernden Staub hat sie die Nervosität der Wachsoldaten bemerkt, die sich immer wieder beunruhigt umsahen und anscheinend von Zweifeln geplagt wurden. Man durfte keine Fragen stellen, und den Gefangenen war es verboten, sich miteinander zu unterhalten. Trotzdem hat Laurie schnell begriffen, ebenso wie viele ihrer Leidensgenossen.
Es handelt sich um einen Staatsstreich - vermutlich auf Initiative von General Kawongolo, vor dem alle möglichen Leute gewarnt hatten. Aber Fatimata hat nicht auf die Warnungen gehört, sondern sogar noch Entschuldigungen gefunden - war nicht seine Ehefrau schwer krank? -, um ihn auf seinem Posten zu belassen. Jetzt muss sie die Suppe auslöffeln, die sie sich damit eingebrockt hat, dass sie bestimmte Dinge einfach nicht wahrhaben wollte! Und ihr Volk muss leiden, während sie sich bei den Reichen und Schönen in Nassau vergnügt. Weiß sie wenigstens Bescheid? Wird sie vorzeitig zurückkehren und die Lage retten, falls das überhaupt noch möglich ist?
Laurie zwingt sich, trotz der Hitze, des Gestanks, der Fliegen und der Kakerlaken ruhig nachzudenken. Zuerst hat sie vor Wut, Angst und Hilflosigkeit geweint und ständig an Abou gedacht. Ob man ihn ebenfalls verhaftet hat? Oder ist er etwa bei dem Sturm auf die Bohranlage getötet worden? Der Lastwagen ist auf dem Weg nach Ouaga an der Baustelle
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