Ödland - Thriller
vorbeigefahren, um weitere Gefangene aufzunehmen - unter anderem auch Hauptmann Yaméogo. Bei dieser Gelegenheit konnte Laurie erkennen, dass die Rebellen offenbar das Bohrgelände und die Garnison in ihre Gewalt bekommen haben. Sie bemerkte viele Schäden; einige Zelte und Baracken standen in Flammen.
Ihr ist klar, dass die Übernahme des Grundwassersees der wichtigste, wenn nicht gar der einzige Grund für den Putsch sein muss. Vermutlich ist er auch nicht von General Kawongolo ausgegangen, der wahrscheinlich nur als Strohmann diente. Die wahren Schuldigen vermutet Laurie bei der NSA, vor der Yann Fatimata so eindringlich gewarnt hat. Auch diese Warnung hat Fatimata zu Lauries Bedauern nicht ernst genug genommen. Alle gingen davon aus, dass die Aktionen der NSA sich auf die Entführung von Moussa beschränkt hatten, nach deren Scheitern man viel zu schnell wieder zur Tagesordnung überging. Dabei war die Entführung nur ein Ablenkungsmanöver, vielleicht auch ein Probelauf, während man klammheimlich den wirklich großen Coup vorbereitete: einen Putsch! Das haben wir allein diesem Fuller zu verdanken, wütet Laurie vor sich hin. Arschloch! Widerwärtige Kröte! Sie kann nur hoffen, dass die Präsidentin irgendwie davon erfährt und dass Rudy sie rächt. Sollte ihn angesichts dieses Ekels Fuller die Mordlust packen, wäre sie die Erste, die ihn dazu aus vollem Herzen beglückwünschen würde. Allerdings käme Rudy in diesem Fall vermutlich nicht lebend von Nassau weg ... Plötzlich fällt Laurie das große, in Zeitungspapier gewickelte Paket ein, das Abou und Rudy von der Großmutter mitgebracht haben. Ob es wohl für Fuller bestimmt war? Wussten Abou, Rudy und die Großmutter längst Bescheid, was passieren würde, und haben ihre Vorkehrungen getroffen? Eine schwindelerregende und sehr gefährliche Annahme! Wenn sie Bescheid wussten, warum haben sie Fatimata dann nicht gewarnt, sondern abreisen lassen? Nein, das ist völlig unsinnig! Aber wie soll sie die Wahrheit herausfinden? Und wie die Präsidentin warnen? Wenn die Aufständischen wirklich alles durchgeplant haben, dann würden sie Anrufe über Satellit wahrscheinlich kontrollieren oder sogar ganz unterbinden. Außerdem hat Laurie ihr Mobiltelefon ohnehin nicht dabei. Sie hat nichts als das, was sie am Körper trägt, einen Slip, ein T-Shirt und einen Rock, die sie in aller Eile angezogen hat. Bei allem Unglück kann sie noch von Glück reden, dass die Soldaten nicht versucht haben, sie zu vergewaltigen - aber vielleicht hatten sie ihre Vorschriften.
Lauries Gedankengang wird von der Wärterin unterbrochen, die ihr ein Zeichen macht mitzukommen. Eine wahnwitzige Hoffnung beschleunigt ihren Herzschlag: Wird man sie freilassen? Ist der Putsch in die Hose gegangen?
Doch leider hat sie sich zu früh gefreut. Zwei junge Soldaten bringen sie in das Büro des Gefängnisdirektors. Unterwegs passiert sie einen Hof mit hohen Mauern, Stacheldraht und einem Wachturm, in dem sie einige ihrer Mitgefangenen entdeckt - darunter auch Alimatou und ihre Tochter, die resigniert in einer Ecke kauern. Laurie winkt ihnen verstohlen zu, doch die Soldaten stoßen sie rüde vorwärts, und sie weiß nicht, ob die beiden sie gesehen oder ihr geantwortet haben.
Im Büro des Direktors wird sie von einem hochgewachsenen Schwarzen erwartet, der einen dunklen Anzug und eine ebensolche Sonnenbrille trägt und nach Aftershave riecht.
»Do you speak English?«, will er wissen.
»Yes.«
»Very good.«
Er bittet Laurie, Platz zu nehmen, und befiehlt in einem miserablen, von einem starken, amerikanischen Akzent verunzierten Französisch, dass man ihr etwas zu trinken geben soll. Einer der Soldaten bringt ein sauberes Glas und frisches Wasser.
»Sie dürfen sich freuen, Miss«, sagt der Schwarze mit einem freimütigen Lächeln auf Englisch. »Ihr Leiden hat bald ein Ende.«
»Wer sind Sie überhaupt?«, erkundigt sich Laurie herablassend, nachdem sie sich satt getrunken hat.
»Mein Name tut nichts zur Sache. Nummer 1 genügt vollauf.«
»Warum wurde ich verhaftet? Und wann gedenken Sie, mich freizulassen?«
»Schon bald. Es ist nur noch eine Frage von Tagen. wenn die Gefahr vorüber ist. Und was den Grund angeht ... nennen wir Ihre Verhaftung einmal eine vorsorgliche Maßnahme.«
»Könnten Sie mir das näher erklären? Ich verstehe kein Wort.«
»Nun«, antwortet Nummer 1, »wir haben festgestellt, dass Sie mit der Präsidentin - der Expräsidentin - auf freundschaftlichem Fuß
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