Ödland - Thriller
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Mit dem Flugzeug in Nassau anzukommen ist fast so, als lande man auf einem fremden Planeten. Nach Tausenden von Meilen über den leeren Ozean sieht man die Bahamas zum ersten Mal, wenn das Flugzeug bereits zum Sinkflug ansetzt. Sattgrüne, von weißer Gischt gesäumte Landzungen und türkise Lagunen. Wenn der Himmel klar ist und man über scharfe Augen verfügt, kann man die überschwemmten Küstengebiete und die von Zyklonen verwüsteten Bereiche erkennen. Dann taucht die Insel New Providence auf, die im Schutz des langen, schmalen Eilands Eleuthera den Gefahren des offenen Ozeans trotzt, und gleichzeitig sieht man zum ersten Mal die enorme, schimmernde Seifenblase, die sich über der Nordküste der Insel spannt - die Enklave von Nassau - Paradise Island. Es ist die erste Enklave, die ganz unter einer Glaskugel liegt und dadurch vor den Unwägbarkeiten des extremen Klimas in diesem Gebiet völlig geschützt ist. Die Kuppel erstreckt sich über der Stadt Nassau und ihrer Umgebung, unter anderem auch über Paradise Island, das seit über einem Jahrhundert eine Zuflucht der Reichen ist, sowie über einem so großen Stück Meer, dass man hier sämtliche Wassersportarten ausüben kann, und zwar in aller Sicherheit und in einem naturnah rekonstruierten Ambiente, in dem es Korallen, tropische Fische, eine vielfältige und bunte Meeresflora, Delfine und sogar einige Haie gibt, die allerdings durch Genmanipulationen ungefährlich gemacht wurden. Die Kuppel aus Altuglass, die Tornados der Stärke 5 und dreißig Meter hohe Wellen aushält, ist mit Tausenden winziger Sonnenkollektoren bestückt, die ihr das hübsche, schimmernde Aussehen verleihen und 80 Prozent der in der Enklave benötigten Energie liefern; die restlichen 20 Prozent stammen aus Gezeitenkraftwerken. Unter der Kuppel blüht eine hochqualitative Tourismusindustrie, die so konzipiert ist, dass jeder für sein Geld nicht nur blaue Lagunen und Korallentauchgänge bekommt, sondern auch Jet-Ski-Touren, Spiele mit den Delfinen, Hochseefischerei, Swimmingpools mit Wellensimulation, Golf, Tennis, romantische Sonnenuntergänge und Candle-Light-Dinners am Strand. Hier finden die wichtigsten internationalen Meetings statt, bei denen die Führungselite über das Schicksal der Welt - und das ihres eigenen Einkommens - entscheidet und sich dabei den Luxus eines Wochenendes auf Spesen leistet. Und selbstverständlich kann die dreihundert Jahre alte Familie Rothschild ihr alljährlich stattfindendes Ökonogisches Forum an keinem anderen Ort organisieren, bei dem die ww-Konzerne über ihre Verantwortung am derzeitigen Zustand der Welt nachdenken und sich bemühen, ihn im Rahmen ihrer Produktion zu verbessern, indem sie zum Beispiel gegen Umweltverschmutzung vorgehen, solide und effizient produzieren und Benachteiligten helfen. In Wahrheit beweist bereits der Untertitel des Forums »die Ökonomie der Ökologie« die wahre Zielsetzung der Zusammenkunft: Es handelt sich um einen großen Umschlagplatz, wo alles verkauft, gekauft und getauscht wird, was an neuen Technologien den Markt erobert, die Start-ups und Joint Ventures, die sie produzieren oder vertreiben, und die Kredite und Investitionen, mit denen man sie finanziert. Zwar geht es unserem Planeten seither keinen Deut besser, aber viele veraltete Industrien wie Erdöl, Plastik, Chemie und Atomenergie konnten sich dank der Hilfe des Forums in »saubere« verwandeln - Sonnenenergie, Wasserstoff, Geothermik und nachwachsende Rohstoffe - und damit einen Umsatz erzielen, der es ihnen erlaubt, sich weiterhin zur Elite zu zählen. Was die Benachteiligten angeht, so interessieren sie besagte Elite nur in dem Maß, wie man in solchen Ländern einen rentablen Markt aufbauen kann - Wiederaufbau, die Erschließung einer Energiequelle oder die Aneignung lebenswichtiger Ressourcen.
Je länger sie darüber nachdenkt, umso merkwürdiger findet es Fatimata, dass sie zu diesem Forum eingeladen wurde. Sie fühlt sich in gewisser Hinsicht als Störfaktor, hat weder etwas zu verkaufen, noch will sie etwas kaufen und ist auch für keine Rede oder Konferenz und für keinen Workshop vorgesehen. Wenn man sie fragt, welchen ww-Konzern sie vertritt, antwortet sie:
»Ich vertrete Burkina Faso als seine Präsidentin. Gegenwärtig kämpfen wir gegen den Durst und den Diebstahl unseres letzten unterirdischen Wasservorkommens, das einer Ihrer Kollegen, der
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