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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zeichen versehene Holzklinge hoch aus dem Sack ragt - von Hadé schleppen muss. Außerdem hat er ständig Angst, auf eine Schlange, einen Skorpion oder in ein Vogelspinnennest zu treten. Wenn ein Nachtvogel mit rauschenden Schwingen auffliegt oder ferne, seltsame Tierrufe weit über die Savanne hallen, schrickt er zusammen. Hadé unternimmt nichts, um seine Angst zu dämpfen oder zu schüren; sie schweigt und erwartet, dass er ebenfalls nicht spricht. Das Ziel des endlos scheinenden, beängstigenden Marsches ist ein Ort mitten im Nirgendwo, ein mysteriöser, machtvoller Ort, der von drei offensichtlich noch lebenden Bäumen begrenzt wird: einem Baobab, einem Kapokbaum und einem Mahagonibaum. Jeder der Bäume symbolisiert eine bestimmte Eigenschaft; sie stehen für Weisheit, Geist und Läuterung. Niemand sonst ist da. Hadé befiehlt Abou, sich unter seinen Lieblingsbaum zu setzen und sich nicht von der Stelle zu rühren. Dann verschwindet sie im Dunkel.
    Abou setzt sich unter den Mahagonibaum, wartet und betrachtet den Mond in der bevölkerten Stille der Nacht. Er wartet lange. Sehr lange. Allmählich beginnt er sich zu fragen, was er eigentlich hier tut, warum alles so lang dauert und wo Hadé und die anderen bleiben. Doch er wartet weiter. Seine derzeitige und seine künftige Situation gehen ihm durch den Kopf, er denkt über seine Reise nach Mali nach, doch was ihn am meisten beschäftigt, ist der Traum, den er bei Hadé gehabt hat: die Hyänenmaske und das Antlitz des Hasses, das er schon im Bangré gesehen hatte. Was verbindet diese beiden? Was soll er von diesem Traum halten? Seine Großmutter würde es ihm erklären ... Abou wartet. Er beginnt sich zu fürchten. Lange Wolkenschleier schieben sich vor den Mond und zeichnen bizarre Schatten auf den nackten Boden. Seltsame Geräusche nähern sich. Zwischen den Bäumen meint er flüchtige Bewegungen zu erkennen. Etwa Tiere? Doch welche Art Tier jagt mitten in der Nacht im Busch? Schon als Kind hat er gelernt, dass es in Burkina längst keine Löwen und Panther mehr gibt. In den Naturparks überleben noch einige Elefanten mehr schlecht als recht, und die letzten heiligen Krokodile siechen allmählich in ihren zu Wasserlachen geschrumpften Sümpfen dahin. Abou wartet, kopflos vor Angst. Er kann sich nicht mehr bewegen. Seine Beine tragen ihn nicht mehr. Seltsame, weder von Menschen noch von Tieren stammende Schreie nähern sich. Die Bewegungen zwischen den Bäumen werden lebhafter. Abou glaubt, Formen zu erkennen, ohne sie jedoch unterscheiden zu können. Wenn die nächtlichen Leichentücher den Mond verhüllen, meint er, glühende Augen zu sehen ... Eiskalter Schweiß läuft ihm über den Rücken. Sein Herz klopft zum Zerspringen. Der Rhythmus scheint nicht aus ihm selbst, sondern von überall her gleichzeitig zu kommen, wie von tausend Trommeln, die aus der Tiefe der Savanne auf ihn zurasen ... Die zindamba! Die Geister! Abou gerät in Panik. Er kann weder schreien noch sich bewegen - nur sehen. Er ist gelähmt.
    Und jetzt wirbeln die Schreie aus einer anderen Welt um ihn herum, die verschwommenen Formen wogen und fliegen von Baum zu Baum, und plötzlich sind sie da, mitten in dem heiligen Dreieck - die Geister! Fantastische Wesen, Schnauzen mit spitzen Reißzähnen, Gesichter mit hervorquellenden Augen, Dämonen, die weder Mensch noch Tier sind, drehen sich in einem infernalischen Tanz zu einem Pulsschlag, der aus dem Herzen der Erde stammt; formlose Körper aus leuchtenden Fasern springen, hüpfen und schlängeln sich, grauenhafte Fratzen kommen mit gesenkten Hörnern, Schnäbeln und aufgerissenen Fängen auf Abou zu, irre Blicke durchbohren und verbrennen ihn; er besteht nur noch aus Angst und Schmerz ... Und plötzlich teilt er sich und sieht!
    Sein Körper kauert unter dem Mahagonibaum, dessen Stamm und Wurzeln alles absorbieren, was schwer, böse, negativ und irdisch in ihm ist, und alles, was ihn an den Boden fesselt: Routine, schlechte Angewohnheiten, kleinliche und schäbige Gedanken. Der wahre Abou, der Eingeweihte, schwebt über dem Ganzen und schwirrt nun ebenfalls zwischen den Zweigen inmitten der Leichentücher der Nacht umher. Jetzt versteht er den wirren Tanz der zindamba; es ist kein Tanz, es ist ein Kampf. Sie haben den Geist der Hass-Hyäne umzingelt und lassen ihn nicht mehr aus ihrem Kreis heraus. Der Geist wehrt sich, will entkommen, schießt seine Todeslianen nach rechts, links, vorn und hinten, doch alle stoßen ihn zurück, helfen sich

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