Ödland - Thriller
Botschaft einzudringen, denn das Botschaftsgelände gilt als fremdes Staatsgebiet. Ein von gerechtem Zorn angesporntes Volk allerdings könnte es tun. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Vielen Dank.«
Lächelnd steigt Rudy vom Podium. Die Menge hinter ihm tobt. In den Applaus mischen sich erste, aufgebrachte Rufe: »Rache!« - »Auf zur Botschaft!« - »Nieder mit den Spionen!« Teils bestürzt, teils entrüstet tritt Fatimata auf ihn zu.
»Sind Sie verrückt geworden, Rudy? Wollen Sie etwa, dass der Mann gelyncht wird?«
»Ja, genau das will ich. Solange der Kerl sich in der Botschaft versteckt, haben Sie keinen Zugriff auf ihn. Aber dem Volk kann er nicht entkommen.«
»Aber es gibt schließlich legale Methoden!«
»Sie können mich mal mit Ihren legalen Methoden! Wenn wir von Anfang an legale Methoden angewendet hätten, wäre Kawongolo noch immer an der Macht. Oder finden Sie einen Putsch etwa legal?«
»Natürlich nicht, aber das ist doch kein Grund ...«
»Für mich schon! Wie denkst du darüber, Moussa? Hätte man dich mit legalen Methoden freibekommen?«
Unentschlossen presst Moussa die Lippen zusammen. Einerseits möchte er seiner Mutter nicht widersprechen, andererseits erinnert er sich noch sehr gut daran, auf welche Weise seine Freilassung erfolgte, und kann nicht umhin, den Kopf zu schütteln.
»Und Fuller?«, hakt Fatimata nach, die die Anspielung nicht verstanden hat. »Warum haben Sie den nicht ebenfalls dem Volk ausgeliefert, wo Sie doch gerade dabei waren?«
»Weil wir mit dem etwas anderes vorhaben.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Abou und ich.«
»Ich schulde Ihnen wirklich großen Dank, Rudy. Trotzdem muss ich Ihnen leider sagen, dass es mir ganz und gar nicht gefällt, wie Sie meinen Sohn in Ihre dubiosen Pläne hineinziehen. Es war ein unerhörtes Glück, dass es Ihnen gelungen ist, Fuller zu entführen, und dass die Entführung auch die erwünschten Ergebnisse gebracht hat. Allerdings wünsche ich, dass es jetzt dabei bleibt. Fuller ist im Gefängnis und wird nach burkinischem Gesetz vor Gericht gestellt. Was ist es denn für eine Spezialbehandlung, die Sie mit ihm vorhaben?«
»Weder Magie noch Zauberei, falls Sie das befürchten sollten. Ich möchte ihn lediglich nach Kongoussi bringen. Er soll mit eigenen Augen sehen, wen er da bestehlen wollte.«
»Die Idee finde ich nicht schlecht«, meldet sich Claire Kando, die Ministerin für Wasserversorgung und Ressourcenverwaltung, zu Wort. »Schon Issa Coulibaly, Friede sei seiner Seele, hat vorgeschlagen, Fuller nach Kongoussi zu holen. Und zwar ganz zu Beginn der Affäre im Ministerrat, wenn ich mich recht entsinne.«
»Und sie wurde von einer Mehrheit gutgeheißen«, nickt Lacina Palenfo. »Ich selbst war damals dagegen.«
»Und wie verhält es sich jetzt, Lacina?«, will Fatimata wissen.
»Inzwischen haben sich die Voraussetzungen verändert. Wir sitzen am längeren Hebel. Soll Fuller doch sehen, was wahre menschliche Not ist!«
Die Minister beginnen über das Für und Wider zu diskutieren, doch Fatimata unterbricht das Palaver.
»Ich glaube, wir sollten nicht unbedingt hier zwischen den Ruinen unseren Ministerrat abhalten. Lasst uns in den Präsidentenpalast gehen. Schließlich habe ich die Schlüssel!« Sie hält den Anwesenden den Schlüsselbund unter die Nase. »Dort stimmen wir dann über die Frage ab.«
»Entschuldigen Sie bitte, Madame Konaté«, wirft Rudy ein. »Hier handelt es sich um eine Entscheidung, die ich getroffen habe, und zwar gemeinsam mit Abou. Da gibt es nichts mehr zu diskutieren.«
»O doch, Rudy! Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Fuller im Gefängnis sitzt? Um ihn da herauszuholen, brauchen Sie eine Sondergenehmigung unserer Justizministerin Aissa Bamory. Allerdings kann sie eine solche Sondergenehmigung erst nach einer Abstimmung im Ministerrat ausstellen. So ist das nun einmal in einer Demokratie, mein Lieber. Vielleicht sind Sie so etwas nicht mehr gewöhnt, doch damit müssen Sie sich abfinden.«
»Leider«, knurrt Rudy. »Laurie hat mir einmal einen französischen Sinnspruch zitiert, der ungefähr so lautet: ›Diktatur ist: Halt die Schnauze! Demokratie ist: Quatsch ruhig noch ein bisschen!‹ Ich habe gelernt, ohne Gequatsche auszukommen und meine Angelegenheiten selbst zu regeln.«
»Schon möglich, aber hier werden Sie sich wohl oder übel damit abfinden müssen, Rudy. Auch wenn es zu Beginn langsam und kompliziert erscheint, werden Sie feststellen, dass zum Schluss zumindest die
Weitere Kostenlose Bücher