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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Rudy. Ich riskiere zwar eine Rüge, aber was soll's? Die Lösung gefällt mir.«
    »Und außerdem hat das Bangré gesprochen, nicht wahr? Dem können wir schließlich nicht zuwiderhandeln.«
    Sarabande
    Weil es in der Wüste keinen fassbaren Reichtum gibt und weil nichts zu sehen und zu hören ist, das innere Leben jedoch nicht einschläft, sondern sich im Gegenteil verstärkt, wird man zwangsläufig erkennen, dass der Mensch vor allem durch unsichtbare Herausforderungen angeregt wird.
Antoine de Saint-Exupéry,
Brief an eine Geisel (1943)
    Anthony Fuller träumt, dass er aus der afrikanischen Hölle befreit worden ist und an Bord seiner Privatmaschine auf dem Flughafen von Lawrence landet. Er wird begrüßt wie ein Held - man hat den roten Teppich ausgerollt, eine große Menschenmenge applaudiert ihm, und selbst der Präsident der Vereinigten Staaten ist zu seiner Begrüßung angereist. Zutiefst beglückt steigt er die Treppe hinunter. Plötzlich muss er erkennen, dass der Präsident aussieht wie Moses Callaghan, der Guru der Göttlichen Legion, dass er Pamela in den Armen hält und dass neben ihm Tony Junior mit der Hyänenmaske auf dem Gesicht im Rollstuhl sitzt. »Du wirst sterben, Vater«, lacht er.
    Erschrocken fährt Anthony aus dem Schlaf hoch. Sofort legt sich eine Hand über seinen Mund. Er reißt die Augen auf. Es ist ein schwarzer Soldat, den er nicht erkennt, weil für ihn ohnehin alle Schwarzen gleich aussehen.
    »Wir machen einen kleinen Spaziergang, Fuller«, flüstert eine Stimme unmittelbar neben seinem Ohr.
    Die Stimme kennt Anthony nur allzu gut. Aus dem Augenwinkel sieht er glatte Haare und einen hängenden Wikingerschnurrbart. Was, zum Teufel, will dieser verdammte Flugzeugentführer noch von ihm? Doch er hat nicht lange Zeit, sich zu fragen, weil etwas auf seinem Gesicht befestigt wird und ihm sofort die ganze Hölle an die Kehle springt.
    Anthony taucht in ein Universum aus Asche und Feuer, in eine Sarabande der Dämonen, bevölkert von brüllenden, aus Flammen schnellenden Monstern und dieser Karikatur einer Hyäne mit gesträubter Mähne und irren Augen, die sich vor ihm dreht und tanzt, springt, beißt und sich entfernt, ehe alles wieder von vorn beginnt. Sie tanzt einen wahnwitzigen Totentanz, einen Reigen aus Sterben und Irrsinn, dem er sich nicht entziehen kann, diese lachende Hyäne, die ständig das Aussehen verändert, Tony Juniors Eulengesicht annimmt, dann wieder den stumpfsinnigen Ausdruck von Wilbur - sie lacht und jubelt, springt und tanzt in einem tödlichen Wirbel ... Er schreit, doch sein Mund bleibt stumm; er weint, doch keine Träne benetzt seine Augen; er blutet, doch es sind Würmer und Eiter, die aus seiner Haut kriechen.
    Er weiß nicht, wie lange die Tortur andauert, denn in der Hölle hat die Zeit keine Bedeutung, und die Ewigkeit ist lang. Dunkel wird er sich bewusst, dass er sich fortbewegt - aber läuft er selbst, um seinen Peinigern zu entkommen, oder sind es die Dämonen, die ihn zu einer noch größeren Qual zerren?
    Plötzlich taucht Fuller an der Oberfläche einer kalten, trockenen Nacht auf. Kein Feuer mehr, kein Entsetzen, keine brüllenden Monster und keine lachende Hyäne. Die letzten Visionen lösen sich zitternd in einer endlosen, leeren Finsternis auf. Am Himmel flimmern unzählige Sterne, die Erde besteht aus öden, von wenigen Dornensträuchern unterbrochenen Wellen. Eine sterbende Schöpfung. Ist er in die Welt der Lebenden zurückgekehrt? Noch nicht einmal ein Windhauch ist zu spüren ... In der Grabesruhe schlägt eine Autotür. Ein Motor wird angelassen; sein Surren entfernt sich rasch. Anthony läuft in die Richtung des Geräuschs und sieht zwei rote Lichter - die Augen eines Dämons? -, die zwischen den Dünen holpern und schnell in einer Staubwolke aus seinem Blickfeld entschwinden. Der Staub löst sich im klaren Himmel auf, und das Motorengeräusch vergeht ebenso wie der schwache, aber deutliche Abgasgeruch. Die Welt findet zu ihrer versteinerten Unbeweglichkeit zurück, zur absoluten Stille endloser Einsamkeit.
    Nach und nach wird Fuller bewusst, dass er sich mutterseelenallein im absoluten Nichts befindet. Sein verwirrter Geist, der noch von einem urweltlichen Entsetzen gebrandmarkt ist, rekonstruiert ganz allmählich das, was sich in Wirklichkeit abgespielt haben muss: Man hat ihm die Hyänenmaske wieder aufgesetzt, und Rudy und der unbekannte Soldat sind mit ihm in die Wüste gefahren, in der vollen Absicht, ihn dort zu verlieren. Anthony

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