Ödland - Thriller
Staaten
»Er blufft«, erklärt Fatimata, wird aber trotzdem fahl.
»Sind Sie sicher?«, fragt Yéri beunruhigt.
»Fast. Trotzdem solltest du bitte sofort den Ministerrat zusammenrufen. Höchste Dringlichkeitsstufe!«
Geist
»Die aggressive Arroganz Amerikas sucht wirklich ihresgleichen. Unseren Handelspartner Burkina Faso anzugreifen, um einen angeblich als Geisel festgehaltenen Amerikaner zu befreien, ist ungefähr so, als zünde man einen Wald an, um ein auf einem Baum festsitzendes Kätzchen freizubekommen: lächerlich, unangemessen und eine offene Verletzung der neuen Ökologiegesetze. Präsident Bones sollte sich drei Punkte vor Augen halten: Erstens haben viele amerikanische Unternehmen ihren Geschäftssitz in China oder im asiatischen Block, zweitens sind Indien, Lateinamerika und die Drachenstaaten unsere Verbündeten, und drittens ist die Bewaffnung der Vereinigten Staaten im Vergleich zu unserer Technologie hoffnungslos veraltet.«
Ausschnitt aus einer Rede von Li Yaobang,
Präsidentin von China
Abou sitzt im Lateritstaub, hält seine Uzi zwischen den Schenkeln und betrachtet mit zurückgelegtem Kopf den Mond. Der Wind hat nachgelassen; die Nacht ist ruhig und unerwartet mild. Die Temperatur liegt nicht höher als 30 Grad. Abou träumt davon, jetzt mit Laurie hier zu sein, sie in den Armen zu halten und gemeinsam mit ihr den Mond anzusehen oder sich im roten Sand der Hügel zu lieben. Mit liebeskrankem Herzen denkt er an ihren gebräunten Körper, ihre haselnussbraunen Augen, ihren Naschkatzenmund, der so gerne lacht, und an ihre Art, die Welt und sie beide zu sehen - eine Art, die sich deutlich von seiner unterscheidet. Wie gern wäre er jetzt bei ihr! Doch es ist unmöglich. An diesem Abend ist er zur Wache vor dem Zelt eingeteilt, in dem Anthony Fuller gefangen gehalten wird. Die schönen Tage sind zu Ende; der normale Dienst samt seiner Routine und seinen Zwängen hat wieder begonnen. So bald würde es keinen Sonderurlaub mehr geben, den Abou mit seiner Liebsten verbringen könnte, hat Hauptmann Yaméogo ihm mitgeteilt. Abou seufzt und blickt auf die Uhr. Noch drei Stunden ... Was nützt es eigentlich, Fuller im Lager festzuhalten? Gestern und vorgestern haben er und Rudy ihn mit in die Hügel genommen, in die Armenviertel und die umliegenden Dörfer. Sie haben ihn gezwungen, aus dem Auto auszusteigen, mit den Leuten zu reden, in die Scheiße zu treten und kranke Babys und leprakranke Greise zu berühren. Fuller hat sich wieder des Langen und Breiten darüber ausgelassen, wie sehr ihn die Not berühre und dass er den Burkinern helfen wolle; für eine solche humanitäre Leistung wäre er bereit, den gesamten Konzern Resourcing zu mobilisieren. Rudy glaubt ihm noch immer nicht, und auch Abou spürt Schurkerei und Kalkül unter dem ehrlichen Erscheinungsbild. Der Mann versucht lediglich, seine Haut zu retten und Zeit zu schinden. Aber Zeit wofür? Was würde man mit ihm anfangen? Zwar ist ein Gerichtstermin anberaumt, aber Rudy behauptet, es gebe keinen Beweis, dass Fuller den Putsch finanziert hat. Und Fuller selbst hat deutlich gemacht, dass er vor Gericht alles leugnen würde. Der einzige Zeuge, der gegen ihn hätte aussagen können - der von Rudy verwundete NSA-Mann -, ist im Krankenhaus von Ouaga gestorben. Er hat die Amputation seines infizierten Beins nicht überlebt. Was also dann? Ihn freilassen, damit er nach Hause zurückkehren kann? Man denkt darüber nach, hat Laurie erzählt, weil die Vereinigten Staaten mit einer militärischen Intervention drohen. China hat die Drohung mit heftiger Kritik aufgenommen und seinerseits von der Heraufbeschwörung eines Weltkriegs gesprochen, denn Lateinamerika und der asiatische Block wären ebenfalls bereit, für Burkina Faso einzutreten. Abou kümmert sich eher selten um Politik, doch er begreift, dass es in den Machtzentren nur so kracht. Und das alles wegen des kleinen Burkina Fasos, und des Weißen, der da hinter ihm im Zelt kauert? Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Könnte man sie nicht ein für alle Mal in Frieden lassen? Wie dem auch sei, Fatimata ist gar nicht gut auf Rudy zu sprechen, weil sie ihn für die Ursache dieser weltweiten Krise hält, obwohl Fullers Entführung zum Scheitern des Putsches beigetragen hat. Rudy ist es egal. Er tut ohnehin, was er will. Insgeheim bewundert Abou ihn. Rudy ist ein fanatischer, unabhängiger Krieger, der vor nichts zurückschreckt, wenn es darum geht, eine von ihm für gerecht erachtete Sache zu
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