Ödland - Thriller
entgegnet die Präsidentin dennoch. »Um welche Probleme geht es denn überhaupt?«
Rudy legt ihr seinen Plan dar: Er will Fullers Leichnam überführen, Saibatou Kawongolo zu einem Spezialisten bringen, die Boeing, die auf dem Flughafen langsam versandet, ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben und Fatimata von seiner unerwünschten Gegenwart befreien.
»Sie wollen in die Vereinigten Staaten reisen? Ehrlich gesagt wundert mich dieser Vorschlag aus Ihrem Munde.«
»Ich habe auch persönliche Gründe«, erklärt Rudy.
Fatimata, die weder nachtragend ist noch auf ihren Ansichten beharrt, geht davon aus, dass Rudy versucht, seinen Fehltritt auf ehrenhafte Weise zu büßen, und bietet ihm an, im Präsidentenpalast zu wohnen, bis der Harmattan sich beruhigt und Rudy alle nötigen Vorbereitungen getroffen hat.
Auf Yéris Computer findet Rudy eine Privatklinik, die in relativer Nähe zu seinem Zielort liegt. Es ist die Klinik eines gewissen Dr. Kevorkian in Lawrence, der sich auf seiner Homepage rühmt, so gut wie jeden Schaden mittels genetischer Behandlung heilen zu können. Vorsichtshalber ruft er erst einmal an.
»Durch Parasiten hervorgerufene Erkrankungen fallen eigentlich nicht in unser Aufgabengebiet«, erklärt Dr. Kevorkian. »Wir sind eher auf die Behandlung pränataler oder angeborener Gendefekte spezialisiert. Allerdings manifestiert sich die Onchozerkose häufig durch eine Läsion der Linse, die wir mit Sicherheit auf genetischem Weg wiederherstellen können, sobald die Patientin frei von Fadenwürmern ist. Ist die Krankheit weit fortgeschritten?«
»Ich glaube schon.«
»Wird sie medikamentös behandelt?«
»Im Bereich der Möglichkeiten sicher. Ich rufe aus Burkina Faso an...«
Bei diesem Wort flammt der höfliche, aber neutrale Tonfall des Arztes geradezu auf. Er erklärt, dass er einer Staatsangehörigen dieses vorbildhaften Staates mit seinen »bescheidenen Mitteln« gerne helfen würde, und hält die Erfahrung, eine parasitär bedingte Läsion mit genetischen Maßnahmen behandeln zu dürfen, für »begeisternd und bereichernd«.
»Wissen Sie, an anderen Patienten verdiene ich so viel, dass ich auch einmal in die Forschung investieren kann, selbst wenn es sich um ein Verlustgeschäft handelt.«
»In die Forschung? Soll das heißen, dass es sich, sollten Sie Madame Kawongolo von der Onchozerkose heilen können, um eine Premiere handelt?«
»In diesem fortgeschrittenen Stadium, ja. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich der Westen nie sonderlich für Tropenkrankheiten interessiert. Seit sie allerdings auch in den ehemals gemäßigten Zonen häufiger auftreten und massenhaft Weiße befallen, fängt man allmählich an, sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Wussten Sie, dass man schon seit dreißig Jahren einen Impfstoff gegen Malaria haben könnte, wenn man ein wenig investiert hätte?«
»Gibt es den nicht schon längst?«
»O nein, mein Lieber. Es wird ihn in etwa zwei Jahren geben, wenn wir ausreichend westliche Patienten haben, die ihn rentabel machen.«
Rudy spielt den vorgelegten Ball sofort zurück.
»Und Sie, Herr Doktor? Was machen Sie aus Ihrer Erfahrung, falls das Experiment gelingt? Warten Sie auch auf eine profitable Kundschaft, oder würden Sie Ihre Erkenntnisse den Tausenden Afrikanern schenken, die sie bitter benötigen?«
Am anderen Ende der Leitung entsteht ein kurzes Schweigen.
»Sie stellen mich da vor ein sehr interessantes ethisches Problem. Sie können sich sicher vorstellen, dass ich kein einsamer Forscher bin, der sich tief in ein Labor vergraben über seine Mikroskope beugt. Ich bin vertragsmäßig an Krankenhäuser, Universitäten und einen Pharmakonzern gebunden, und natürlich will jeder sein Stück vom Kuchen abhaben. Die Antwort auf Ihre Frage ist also nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aber ich werde darüber nachdenken. Wir sprechen uns noch ... falls ich zu einem positiven Resultat komme.«
Rudy bittet Yéri um Saibatous Adresse, um ihr die gute Nachricht selbst zu überbringen. Entgegen jeder Erwartung bietet Yéri ihm an, ihn zu begleiten. In ihrem kleinen Elektro-Daihatsu, der sie quer durch den der Trockenheit zum Opfer gefallenen Bois de Boulogne - er wird gerade wieder aufgeforstet - zur Straße nach Kaya bringt, versucht Rudy, mit Fatimatas hübscher Sekretärin zu flirten. Dabei stellt er sich zwar ein wenig unbeholfen an, meint es aber durchaus ernst. Ihr Phlegma gefällt ihm ebenso wie ihre Intelligenz, er bewundert ihren
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