Ödland - Thriller
einen entsetzten Blick zu, läuft in die Diele und betätigt den Türöffner, ohne auch nur einen Blick auf die Überwachungsanlage zu werfen.
Vor ihr steht Robert Nelson. Angesichts von Pamelas geradezu irrem Gesichtsausdruck erlischt sein Lächeln.
»Schwester Salome? Was ist los mit Ihnen?«
Einem Reflex folgend, lässt sie sich in seine Arme fallen. Er umfängt sie und streichelt ihr Haar und ihren Hals.
»Scht ... scht ... Entspannen Sie sich. Erzählen Sie erst einmal, was passiert ist.«
»Es ist wegen To. Tony«, schluchzt Pamela. »Er macht mich fertig.«
»Er macht Sie fertig?« Nelson streift Pamelas Stirn mit einem flüchtigen Kuss. »Was soll das heißen?«
»Er zappt selbstständig auf verkommenen Fernsehkanälen herum. Und wenn ich den Fernseher ausschalte, zwingt er mich, ihn wieder einzuschalten...«
»Na, na. Sie sprechen doch vom Messias, oder? Vom Geheiligten Geist! Wenn man Sie so reden hört, könnte man meinen, es handele sich um einen Ausbund des Bösen!«
»Manchmal frage ich mich, ob er das nicht in Wahrheit ist«, wagt Pamela halblaut zu gestehen.
»Salome! Was reden Sie denn da? Bereuen Sie auf der Stelle! Tun Sie Buße!«
Plötzlich dringt aus dem Wohnzimmer das leise Gebrabbel des Fernsehers zu ihnen hinaus.
»Er hat ihn wieder eingeschaltet. Ganz allein. Sehen Sie doch selbst, wenn Sie mir nicht glauben!«
Nelson stürzt hastig ins Wohnzimmer. Pamela folgt ihm auf dem Fuß. Tony sitzt sehr gerade in seinem Rollstuhl, wirft ihnen einen flüchtigen Blick zu und konzentriert sich wieder auf den Fernseher, auf dem eine Veranstaltung der Göttlichen Legion läuft. Nelson breitet die Arme aus.
»Ich sehe absolut nichts Anormales. Der Junge schaut Lord's Channel. Liebste Schwester, sind Sie sicher, dass Sie nicht vom Teufel versucht worden sind? Möchten Sie vielleicht beichten? Wissen Sie, wir alle haben manchmal sündige Wünsche und Gedanken. Ich schließe mich da nicht aus, obwohl ich schon viel abgehärteter sein sollte als Sie. Eine gute Beichte vernichtet die Versuchung und gestattet dem Herrn zu verzeihen. Liegt Ihnen daran, Salome?«
»Ja ... ich könnte mir vorstellen, dass es hilft.«
»Schön«, lächelt Nelson zufrieden. »Kommen Sie, wir gehen ins Arbeitszimmer Ihres Mannes. Erstens haben wir dort unsere Ruhe, und zweitens können wir uns gleich anschließend daranmachen, bestimmte, für Ihr Erbe wichtige Dokumente zu prüfen.«
Der junge Anwalt greift ungeniert nach Pamelas Hand und zieht sie hinter sich her in Fullers Arbeitszimmer, dem Schauplatz vieler Schändlichkeiten, deren sie sich unwillkürlich mit Abscheu erinnert.
Junior sieht ihnen hinterher. Er kneift die grauen Augen zusammen, und der Speichel rinnt in langen Fäden über sein Kinn. Man könnte meinen, er lächelt. Kaum ist die Tür hinter Pamela und Nelson ins Schloss gefallen, wendet sich Tonys Blick wieder dem Bildschirm zu. Das holografische Feld zittert, zeigt Streifen und stellt sich dann wieder auf den Manga-Sender ein. Dieses Mal ohne Ton, denn Tony will hören, was sich im Büro abspielt.
Unter der dünnen Decke, die seine verkümmerten Beine verbirgt, bewegt sich etwas. Zum ersten Mal im Leben erigiert Tonys Glied.
ZWÖLFTES KAPITEL
Und wieder überleben
»Unsere Mutter Erde ist zornig. Sie schüttelt das Joch ab, das der weiße Mann ihr seit Jahrhunderten auferlegt hat. Das Bleichgesicht hat alles verwüstet, hat den Kreislauf der Natur aus dem Gleichgewicht gebracht und die Harmonie der Welt gestört. Brüder, ich sage euch, Mutter Erde ist entschlossen, sie alle zu töten, selbst wenn die Natur dafür Tausende von Jahren leiden muss und die meisten Lebenden damit zum Untergang verdammt sind. Mutter Erde hat kein Mitleid; sie trennt nicht die Spreu vom Weizen, wie es der Gott der Weißen tut. Auch wir werden untergehen, meine Brüder, wenn wir fortfahren, dem Weg des weißen Mannes zu folgen und ihn auf der Straße des Unglücks zu begleiten, die in eine Wüste führt. Aber noch können wir die Richtung ändern. Noch können wir als letztes altes Volk dieser Erde den Weg wiederfinden, den unsere Väter und Großväter verloren haben, den aber die Geister des Windes, des Wassers, der Bäume und der Steine noch kennen. Brüder, wenn wir überleben wollen, ist es wichtig, wieder so zu leben wie früher, um uns an die neuen Zeiten anpassen zu können. Es ist wichtig, auf Autos, Strom und Internet zu verzichten, auf all die verfänglichen und trügerischen Versuchungen der Weißen. Es
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