Ödland - Thriller
liegt unter der auf Autobahnen zugelassenen Höchstgeschwindigkeit. Wünschen Sie, dass ich den Fahrvorgang übernehme?«
»Nein, Cosma.«
»Dann überholen Sie bitte jetzt das vor Ihnen fahrende Fahrzeug, falls die Verkehrsbedingungen es zulassen.«
»Cosma, ich überhole überhaupt niemanden. Ich befinde mich in einem Trauerzug.«
Der Bordcomputer scheint über die Information nachzugrübeln.
»Herzliches Beileid. Piep.«
Der Toyota schaltet ganz von selbst die Warnblinkanlage ein. Während Rudy noch sucht, wo er sie wieder abstellen kann, tun die anderen Autos es ihm nach. Er lässt sie also weiterblinken.
Die gemütliche Fahrt gibt ihm Gelegenheit, die Landschaft zu betrachten, die früher einmal sehr heiter gewesen sein muss - wellige Hügel, schattige Täler, Seen und Teiche, Wälder und Haine. Inzwischen ist sie jedoch fast ebenso dem Tod geweiht wie die Savanne von Burkina Faso: Die Hügel sind kahl. Die wenigen Bäume haben keine Blätter mehr, und das Bett des Wakarusa ist so gut wie trocken. Moderkraut überwuchert die Felder mit großen, graugrünen Flecken, Schneisen der Zerstörung kennzeichnen die Landstriche, die von Tornados heimgesucht wurden. Hier und da entdeckt Rudy zerstörte Häuser, verlassene Bauernhöfe oder ein schmutziges Outer-Lager im Gelände. Die Autobahn wird von einem hohen Elektrozaun begrenzt, der zudem noch mit Stacheldraht abgesichert ist und an allen höher liegenden Stellen von Kameras mit langen Objektiven überwacht wird. Entweder ist das Land wirklich gefährlich, oder die Reichen, die hier fahren, haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, sinniert Rudy. Schließlich erreichen sie die Abfahrt, die nach Eudora führt. Pompös schlägt der Konvoi den Weg zur Church Street ein.
An der Schranke bleiben alle stehen. Rudy lässt die Scheibe herunter und wirft einen Blick nach draußen. Vor der Wagenkolonne erhebt sich etwas, das sehr gut der Eingang eines Hochsicherheitslagers sein könnte: zwei von Kontrollbaracken flankierte und mit Maschinengewehren bestückte Wachtürme, eine doppelte, mit einem zusätzlichen Laserstrahl verstärkte Schranke quer über die Straße, ein Raketenwerfer und ein Panzer, die auf einem Ausweichparkplatz stehen, sowie bewaffnete Soldaten - vermutlich eher Milizionäre. Rechts und links der Wachtürme erhebt sich eine fünfzehn Meter hohe Plasmamauer, die sich im bleichen Tageslicht mit einem rötlichen Schimmer bemerkbar macht und sich weit jenseits der Büsche und Bäume hinzieht. Selbst von seinem entfernten Standpunkt aus hat Rudy den Eindruck, ein leichtes Knistern zu hören. Während Fuller mit den Milizionären verhandelt, presst sich sein Herz zusammen. Er sieht, wie einer der Bewaffneten die Autos zählt, ein anderer geht langsam an der stehenden Kolonne entlang und inspiziert jeden einzelnen Wagen. Wird man ihn entdecken? Verhaften? Verbannen? Nein. Der Laserstrahl wird abgeschaltet, die Schranken heben sich, Richard Fuller steigt in seine Limousine ein, die Milizionäre kehren auf ihre Posten zurück, und der Konvoi setzt sich langsam in Bewegung. Im Schritttempo passieren die Autos den Kontrollpunkt. Als Rudy zwischen den beiden Baracken unter einem Bogen hindurchfährt, der stark an eine Scannerbrücke erinnert, krampfen sich seine Hände um das Lenkrad. Wie gut, dass er seine Pistole nicht mitgebracht hat ... Ein paar bis an die Zähne bewaffnete Kerle in grauem Drillich mit der Aufschrift Eudora Civic Corp. mustern ihn eingehend, während Rudy es tunlichst vermeidet, ihren Blick zu erwidern. Sie halten ihn nicht an. Und dann ist er durch. Der Fuchs ist im Hühnerstall!
Rudy begleitet die Wagenkolonne bis zum Friedhof, wo alle ihre Autos auf dem Parkplatz abstellen. Er parkt den Toyota ein wenig abseits und wartet geduldig, bis sich die Trauergäste am Grab versammelt haben, ehe er den Motor wieder anlässt und sich langsam entfernt.
Er fährt ins Stadtzentrum und findet in der Main Street in der Nähe des stillgelegten Bahnhofs ein kleines Hotel, das vermutlich eher für Handwerker gedacht ist, die in Eudora arbeiten, als für Gäste der reichen Einwohner der Enklave. Der Hotelbesitzer ist ein alter Mann, der sich ständig über die faltige Stirn wischt und den guten, alten Zeiten hinterhertrauert. Bei ihm mietet Rudy ein abgenutztes, aber sauberes Zimmer zu einem moderaten Preis. Nachdem er sich eingerichtet und mit stark gechlortem Wasser erfrischt hat, das kärglich aus einem gurgelnden Wasserhahn träufelt, beschließt er,
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