Ödland - Thriller
nicht, wie er uns zu Verhandlungen zwingen könnte. Wegen einiger Liter Wasser werden uns die Vereinigten Staaten wohl kaum den Krieg erklären.«
»Es handelt sich um eine ganze Menge Liter Wasser«, wendet Fatimata ein. »Die Vereinigten Staaten haben wegen unwesentlich mehr Erdöl ein ganzes Land in Schutt und Asche gelegt.«
»Das ist lange her. Heutzutage haben sie nicht mehr das Geld, ihre GI's und ihre Bomber hinzuschicken, wo es ihnen gerade in den Kram passt.«
»Aber sie haben andere Mittel«, sagt Aissa Bamory, Justizministerin und Siegelbewahrerin. Sie ist eine schöne Frau mit üppigen Formen, sinnlichen Lippen und Mandelaugen, die Issa Coulibaly beinahe einmal wegen sexueller Nötigung vor Gericht gebracht hätte. »Zum Beispiel den Internationalen Handelsgerichtshof. Meines Erachtens handelt es sich dabei durchaus nicht um eine leere Drohung. Und der IHG steht nicht unbedingt im Ruf, den ärmsten Ländern besonders zugetan zu sein.«
»Ein Embargo wäre eine Katastrophe. Uns geht es ohnehin schon schlecht genug«, stimmt ihr der Außenminister Ousmane Kaboré zu. Er ist klein, zart, schwitzt stark und wirkt kränklich.
»Das ist nicht mein Fach«, ereifert sich General Kawongolo. »Ich denke an eine andere Bedrohung, die viel konkreter und unmittelbarer ist.«
»Und zwar?«
»Unsere Nachbarn. Mali, Niger und Benin. Vielleicht sogar unsere eigenen Landsleute. Das viele Wasser wird zwangsläufig Begehrlichkeiten wecken. Bereits jetzt gibt es Leute, die in der Nähe von Kongoussi graben. Wenn wir nicht aufpassen, werden wir schnell die Kontrolle verlieren.«
»Absolut richtig. Was schlagen Sie vor?«
»Wir sollten eine Einheit hinschicken, das Gelände abriegeln und jeden Zugang untersagen, bis wir eine Entscheidung gefällt haben. Außerdem sollten wir für den Fall von Aufständen oder einer Invasion die gesamte Truppe mobilisieren.«
»Hast du das, Yéri? Endlich einmal ein konkreter Vorschlag. Wir werden uns noch genauer damit beschäftigen, Victor, aber Sie sollten sofort die nötigen Vorkehrungen treffen.«
»Zu Befehl, Madame.« Kawongolo salutiert.
Fatimata lächelt leise. Zwar ist Victor Kwangolo ein Held der Zweiten Révolution, durch und durch Demokrat und überzeugter Sozialist - trotzdem kann er manchmal unglaublich altmodisch sein.
»Dabei fällt mir ein«, wendet sich Fatimata an Désirée Barry, Ministerin für Post und Kommunikation und Prototyp der großen Mutter in Boubou und Turban, die man sich eher mit einer Kalebasse auf dem Kopf als mit einem Handy am Ohr vorstellen kann, »waren wir nicht übereingekommen, die Information geheim zu halten, bis wir uns auf einen offiziellen Standpunkt geeinigt haben? Wie ist es möglich, dass der Indépendant bereits Bescheid weiß? Wo ist da etwas durchgesickert?«
Schweigend und ein wenig angespannt schauen sich die Minister gegenseitig an. Schließlich erklärt Désirée in heiterem Ton: »Es heißt, dass die Chefredakteurin des Indépendant sehr hübsch und wenig zurückhaltend ist...«
Alle Augen wenden sich dem peinlich berührten Issa Coulibaly
»Also ehrlich, ich kenne sie doch kaum«, stammelt er schweißüberströmt.
»Ach, Issa, deine Libido wird dir eines Tages einen bösen Strich durch die Rechnung machen«, seufzt Fatimata. »Aber nachdem das Kind nun mal in den Brunnen gefallen ist - was schlägst du vor? Immerhin hast du dich bisher noch nicht geäußert.«
Issa Coulibaly windet sich auf seinem Stuhl, wischt sich den Schweiß von Stirn und Wangen, wirft einen schuldbewussten Blick in die Runde und stützt sein Doppelkinn ab. Allen ist klar, dass er dem Gespräch nicht gefolgt ist, sondern wie üblich ein Nickerchen gemacht hat.
»Ich schlage vor, dass wir Fuller nach Burkina Faso einladen«, sagt er schließlich. »Und zwar hochoffiziell, mit Botschaft und dem ganzen Hickhack. Wir empfangen ihn mit den Ehren eines Staatschefs, zeigen ihm aber wirklich alles: die sich ausbreitende Wüste, die vertrocknete Saat, unsere Herden, die nur noch aus spindeldürren, sterbenden Tieren bestehen, Kinder mit aufgetriebenen Bäuchen, die verdorbenes Wasser trinken, Frauen, die sich an den Zisternen prügeln, den beginnenden Krieg im Süden und den Sand, der aus den Wasserhähnen rinnt. Er wird großen Durst bekommen, riesengroßen Durst, das verspreche ich euch. Und schämen wird er sich auch. Zumindest hoffe ich das. Und wenn er dann seine schönen Burton-Schuhe vollgekotzt hat, können wir mit den Verhandlungen beginnen. So
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