Ödland - Thriller
brüllt der Ausbilder los:
»Freiwillige heben die rechte Hand! Rechts, habe ich gesagt!«
Ein Wogen geht durch die Truppe. Alle halten den Gewehrkolben in der rechten Hand. Abgesehen davon - wer hat schon wirklich Lust, nach Kongoussi zu gehen und ein Stück Wüste zu überwachen?
Einer plötzlichen Eingebung folgend, hängt Abou sein Gewehr über die linke Schulter und hebt die Hand. Er hat keine Ahnung, warum er das tut - er hat nicht einmal wirklich darüber nachgedacht. Liegt es daran, dass er als Sohn der Präsidentin mit gutem Beispiel vorangehen will, wie Fatimata es immer von ihm verlangt hat? Oder vielleicht daran, dass seine Großmutter Hadé, die er gerne viel häufiger besuchen würde, in Ouahigouya wohnt, nicht allzu weit von Kongoussi entfernt? Nein, nichts davon ist der wahre Grund. Er muss eben nach Kongoussi gehen - so einfach ist das.
Salah, der neben ihm steht, betrachtet überrascht Abous erhobenen Arm, stößt einen ergebenen Seufzer aus und meldet sich ebenfalls. Zu zweit lässt sich die Plackerei auf jeden Fall leichter ertragen.
Nach und nach heben sich weitere Hände. Schließlich meldet sich fast die Hälfte der anwesenden Soldaten. Der General nickt zufrieden.
»Sehr gut!«, ruft er über die Köpfe der Soldaten hinweg. Sein Adjutant reicht ihm ein funktionierendes Mikrofon, das er jedoch ablehnt. »Genau diese Haltung habe ich von Ihnen erwartet. Die Freiwilligen lassen sich jetzt eintragen und halten sich für den Abmarsch morgen früh bereit. Was die anderen angeht, deren Zurückhaltung ich durchaus verstehe, so setzen sie ihre Ausbildung wie bisher fort. Allerdings ist es durchaus möglich, dass auch sie irgendwann anderweitig eingesetzt werden, denn leider mangelt es uns nicht an Konfliktgebieten. Ich danke Ihnen.«
»Stillgestanden!«, brüllt der Kommandant.
General Kwangolo salutiert und steigt in den Geländewagen, der sofort mit einem Kavalierstart davonbraust.
»Was hat dich denn geritten, dass du dich für eine solche Schinderei freiwillig gemeldet hast?«, fragt Salah, während er sich gleich hinter Abou in die Warteschlange zur Einschreibung der Freiwilligen einreiht.
»Keine Ahnung. Mal was Neues vielleicht? Irgendwas Sinnvolles tun? Mich nützlich machen ...? Etwas in der Art jedenfalls.«
»Mannomann.« Salah verzieht das Gesicht. »Du bist wirklich der Sohn deiner Mutter.«
Wüstenzunge
Es ist neun Uhr, Sie hören La Voix des Lacs. Das Rathaus von Kongoussi hat folgende Verlautbarung veröffentlicht, deren Text wir jetzt vollständig wiedergeben: »Die Gemeinde Kongoussi fordert ihre Bürgerinnen und Bürger auf, jeden eigenmächtigen Versuch einer Grabung auf dem ehemaligen Gelände des Bamsees zu unterlassen. Das Wasservorkommen befindet sich in 250 Meter Tiefe, daher ist eine Förderung ohne entsprechende Technologie ohnehin nicht möglich. Bei Zuwiderhandlung sieht sich die Stadtverwaltung gezwungen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.« So weit die Verlautbarung. Meine sehr verehrten Hörer, Sie haben die Botschaft verstanden: Graben Sie auf keinen Fall auf eigene Faust. Denn selbst wenn mit La Voix des Lacs jede Arbeit leichter von der Hand geht - auf diese Weise werden Sie nicht zu Wasser kommen.
»Schrecklich!«, seufzt Étienne Zebango. »Es ist zum Verzweifeln!«
Es ist lange her, dass der Bürgermeister von Kongoussi das letzte Mal in den Hügeln war und sich mit eigenen Augen vom Ausmaß des Schadens überzeugt hat. Früh an diesem Morgen fasste er plötzlich den Entschluss, mit seinem Beigeordneten das Gelände zu besuchen. Der Dienst-Pick-up wurde mit zwei Litern Ethanol betankt - Wasserstoff gibt es in Kongoussi noch nicht -, und sie machten sich auf den mühsamen Weg zum ehemaligen Seeufer. Jetzt fahren sie über die verstaubten Pisten, die früher in die angrenzenden Felder führten.
Die Felder sind verschwunden. Geblieben ist roter, vom Wüstenwind Harmattan zu kleinen Wellen gekräuselter Sand, so weit das Auge reicht. Hier und da stehen noch ein Büschel vertrockneter Gräser, ein sprödes Dornengestrüpp oder eine zähe Akazie. In allen Vertiefungen hat sich Wüstensand gesammelt. Kahle, immer noch majestätisch wirkende Baobabs dominieren die armselige Vegetation, die längst abgestorben ist oder in Erwartung besserer Zeiten vor sich hin dämmert. Düstere, nackte, von der Sonne verbrannte Hügel geben einen drohenden Vorgeschmack auf die dahinterliegende Wüste, die jedes Jahr ein Stückchen weiter in Richtung Süden vordringt und
Weitere Kostenlose Bücher