Ödland - Thriller
eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung finden werden. In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich, verehrter Herr Präsident, Ihr sehr ergebener ...« Unterschrieben ist der Brief mit: Anthony Fuller, Vorstandsvorsitzender der Resourcing ww.
Yéri Diendéré legt den Brief vor Fatimata auf den großen, ovalen Tisch, nachdem sie ihn vor dem versammelten Rat der Minister aus dem Amerikanischen übersetzt hat. Graziös lässt sie sich zur Linken ihrer Chefin nieder, nimmt Schreibblock und Stift zur Hand und macht sich bereit, alles mitzuschreiben, was von jetzt an geäußert wird. Der Stenograf, dem diese Aufgabe bisher oblag, leidet an Aids und liegt im Sterben. Fatimata bedankt sich mit einem Lächeln bei ihrer Sekretärin. Sie hält große Stücke auf die junge Frau, die nicht nur schön, intelligent und kultiviert ist, sondern obendrein tüchtig und ausgesprochen ergeben. Vielleicht ein wenig zu ergeben; in ihrem Alter sollte eine Frau nicht mehr ledig sein. Fatimata würde sich freuen, wenn Yéri das Interesse ihres jüngeren Sohnes Abou wecken könnte, allerdings ist er noch sehr jung, und außerdem absolviert er gerade seinen Militärdienst. Später vielleicht, wenn Yéri bis dahin nicht einen ihrer zahlreichen Verehrer erhört hat ... Nun gut. Zurück zur Tagesordnung!
Fatimata blickt in die Ministerrunde und versucht zu ergründen, inwieweit jede und jeder von ihnen die Tragweite des Problems und die Art des sich anbahnenden Konflikts erfasst hat. Ein Drittel des Kabinetts ist nicht anwesend, meist aufgrund von Krankheiten, die auf Wassermangel und schlechte Ernährung zurückzuführen sind und unter denen entweder sie selbst oder ihre Familien leiden. Sie versucht, die unterschiedlichen Gefühle zu ergründen, die von Unverständnis über Fatalismus, Überraschung und kühle Berechnung bis hin zu dumpfem Zorn reichen. Sie erhebt sich. Die Ministerrunde unterbricht ihre Gespräche.
»Ich fasse zusammen: Dieser Fuller, der nicht einmal den Anstand besitzt, sich zu informieren, ehe er mich mit ›Herr Präsident‹ anredet, geht also davon aus, dass er da drüben im fernen Amerika Eigentümer unseres unterirdischen Bamsees ist, weil wir das Wasservorkommen seiner Ansicht nach ohne seinen Satelliten nie entdeckt hätten. Außerdem wirft er uns vor, dass wir ein als geheim eingestuftes Satellitenbild ausgewertet und verbreitet hätten. Dieses Vorgehen sei illegal, weil wir ohne Zustimmung und unter Missachtung der Eigentumsrechte gehandelt hätten, was unter normalen Umständen eine Anklage vor dem Internationalen Handelsgerichtshof zur Folge hätte. Mr. Fuller jedoch zeigt sich konziliant und schlägt uns eine freundschaftliche Einigung unter Wahrung der beiderseitigen Interessen‹ vor.« Fatimata malt die Anführungszeichen in die Luft. »Wie diese Einigung allerdings aussehen soll, darüber lässt er sich nicht weiter aus. So weit dieser Brief. Die Frage ist jetzt: Wie sollen wir reagieren? Ich erwarte eure Vorschläge.«
Sie setzt sich. Claire Kendo, Ministerin für Wasser und Ressourcen - eine kleine, vertrocknete Frau mit großen, hervortretenden Augen hinter ihren Brillengläsern - hebt die Hand.
»Was hast du geantwortet, Fatimata?«
»Bisher noch gar nichts. Es handelt sich um ein offizielles Schreiben, das als Einschreiben mit Rückantwort von einer Anwaltskanzlei kam. Ich habe lediglich den Rückschein abgeschickt.«
»Mit anderen Worten: Fuller weiß, dass wir seinen Brief erhalten haben«, bemerkt Amadou Dôh, Minister für Verkehr und Infrastruktur, der von Statur und Schweißmenge her mit dem Premierminister rivalisieren könnte, jedoch zurückhaltender wirkt und einen dicken Schnurrbart hat.
»Ja, natürlich. Worauf willst du hinaus, Amadou?«
»Vielleicht hätten wir einfach nicht antworten sollen. So tun, als ob der Brief verloren gegangen wäre. Damit hätten wir Zeit gewonnen.«
Fatimata runzelt die sorgfältig gezupften Augenbrauen.
»Du weißt ebenso gut wie ich, Amadou, dass es nichts nützt, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Probleme werden dadurch nur schlimmer. Es war doch genau diese von den Militärs ausgeübte Vogel-Strauß-Politik, die uns in unsere derzeitige Misere hineinmanövriert hat.«
»Ich wäre dafür, den Kerl zum Teufel zu schicken«, erklärt General Victor Kawongolo, der Verteidigungsminister, dem die Hitze nichts auszumachen scheint. Seine Uniform sitzt so korrekt wie immer. »Dieser Amerikaner hat uns gegenüber keinerlei Rechte, und ich wüsste
Weitere Kostenlose Bücher