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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Faso, sondern das Broussais-Krankenhaus.
    Und so erfährt Laurie an einer Straßenecke vom Tod ihres ehemaligen Lovers - im Stehen, bis auf die Haut durchnässt, vor Kälte zitternd und ihre Einkäufe auf dem Boden gegen ihre Beine gelehnt. Man sagt es ihr mit sanfter, aber neutraler Stimme und ohne etwas zu beschönigen. Vincents Gehirn war durch das Zipzap so grundlegend geschädigt, dass es einfach aufhörte zu arbeiten. Man konnte ihm beim besten Willen nicht mehr helfen. Bei der Durchsicht seiner Habseligkeiten hat man ihre Telefonnummer gefunden und erkundigt sich nun, ob Vincent noch eine Familie besaß oder ob Laurie selbst dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen und die üblichen Formalitäten erledigen wolle.
    »Ich rufe zurück«, schneidet Laurie den Wortschwall ab und bricht das Gespräch ab. Bewegungslos und mit hängenden Armen steht sie einfach nur da. Ein unglaublicher Schmerz wütet in ihrer Seele. Vor ihren Augen flimmert es.
    Vincent ist tot. Erst nach und nach begreift sie die Wucht der Botschaft. Wie flammende Lettern bohren sich die Worte in ihren leeren Kopf. Noch immer kann sie ihre volle Bedeutung nicht erfassen. Nie mehr, nie mehr wird sie ihn wiedersehen! Es ist vorbei. Sie braucht nicht mehr gegen die verrückte Hoffnung anzukämpfen, er werde vielleicht doch eines Tages gesund werden und wieder der Vincent von früher werden - ihr schöner, sanfter, heiterer und weiser Geliebter. Aber ist es nicht im Grunde besser so? Rasch und endgültig. Doch auch er schien im Herzen diese verrückte Hoffnung gehabt zu haben, denn warum hätte er sonst ihre Telefonnummer aufbewahrt? Soll sie hingehen? Soll sie seiner Leiche einen letzten Besuch abstatten? O nein, das würde ihre Kräfte bei Weitem übersteigen! Wieder hat sich ein Stück ihrer Vergangenheit aufgelöst und wird vom Wind davongetrieben. Doch Laurie hat keine Lust, sich an die verstaubten Segel früherer Illusionen zu krallen. Ihre Eltern sind tot, Vincent ist tot, Tanguy und Aziza trennen sich, und das alte Haus der Familie fällt Stück für Stück dem eindringenden Wasser zum Opfer. Plötzlich erkennt Laurie das Zeichen, die Botschaft dieser düsteren, vermodernden Stadt, die ihr zuruft: Geh weg! Hau ab! Überlebe!
    Laurie niest. Mit einem Mal wird ihr die Kälte bewusst. Sie greift nach ihren durchnässten Einkaufstüten und betritt die Altstadt durch die Porte Saint-Louis. Innerhalb der Stadtmauern ist der Wind zwar weniger heftig, doch die Graupelschauer machen Laurie nach wie vor zu schaffen. Mit gesenktem Kopf hastet Laurie im Laufschritt über das glitschige Pflaster der Rue de Chartres.
    Beinahe hätte sie ihn umgerannt.
    Vor ihr steht der Ökoflüchtling aus dem Hotel de la Cité, der Verrückte Gottes, der Erleuchtete der Göttlichen Legion.
    In seiner schmutzigen Tunika wirkt er grauer, ausgemergelter und dürrer denn je. Seine nackten Füße patschen durch die eisigen Pfützen. Trotz der Kälte stinkt er bestialisch, und in seinem Mund ist kaum noch ein Zahn vorhanden. Seine blutunterlaufenen Augen mustern Laurie mit irrem Blick. Sie weicht aus, will weiterlaufen, doch da krallt sich eine geierartige Klaue in ihren Arm. Er hält sie zurück.
    »Dich kenne ich doch, du kleine Nutte! Teufelshure! Lilith!«
    »Lass mich bitte los!«
    Laurie schüttelt ihren Arm, doch der Irre lässt nicht locker. Er zetert und spuckt unmittelbar vor ihrem Gesicht und verpestet die Luft mit seinem verdorbenen Atem.
    »Gott will uns strafen. Er straft uns für unsere Sünden. Der Tag des Zorns ist gekommen. Hast du nicht verstanden, du gottlose Hexe? Tu Buße und flehe unseren Herrn an, dass er uns verschone.«
    »Du lässt mich jetzt sofort los, du alter Spinner!« Laurie schlägt wütend um sich, doch der Ökoflüchtling verfügt über die immense Kraft seines in die Irre geleiteten Glaubens. Er hält Lauries Jacke mit eisernem Griff.
    »Ich weiß genau, du bist eine dieser lasterhaften Ehebrecherinnen, die im Internet masturbieren und gläubige Menschen zur Sünde ermuntern. Leugne nicht! Ich weiß es, denn Gott spricht zu mir. Deine Seele hast du dem Teufel verkauft und deine Muschi der käuflichen Liebe verschrieben!«
    Bei diesen Worten gleitet seine Hand unter Lauries Jacke und berührt ihren Schambereich, der glücklicherweise von einer dicken Jeans geschützt wird. Laurie schwingt eine ihrer Einkaufstüten und schlägt zu. Klirrend zerbirst eine Flasche auf dem Schädel des Flüchtlings. Er lässt los. Blut sickert zwischen seinen

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