Ödland - Thriller
und flieht in die Dämmerzone, verfolgt vom Getöse des Alarms. Binnen kürzester Zeit, das weiß er, wird eine Horde wütender Killer hinter ihm her sein.
Blasrohre
Kansas ist der Mittelpunkt Nordamerikas. Das Herz der freien Welt schlägt in Lebanon, im Norden des Bundesstaates. Jedes Herz jedoch bedarf des Wassers, um richtig schlagen zu können. Daher verspreche ich euch, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, alles zu tun, um das Wasser nach Kansas zurückzuholen. Ausreichend Wasser, um unsere Autos zu waschen, unsere Swimmingpools zu füllen, unser Vieh zu tränken und unsere Felder zu bewässern.
Auszug aus einer Wahlrede von John Bournemouth,
Gouverneur von Kansas
Eine triste Ebene. Die verdorrte Prärie erstickt unter Moderkraut. Bei den toten Baumstümpfen weiß man nicht, ob ein Tornado sie entwurzelt hat oder ob sie schlicht vertrocknet sind. Armselige Herden dürrer Kühe werden von bewaffneten Patrouillen in Allradfahrzeugen gehütet. Einige wenige Versuche, Winterweizen anzubauen, sind kläglich gescheitert. Übrig blieben staubige Felder und ein paar harte Stängel. Dort, wo Monsanto vor zehn Jahren den Versuch startete, die Maissorte Terminator™ anzubauen, sieht man nur noch unfruchtbaren, aufgeplatzten Boden. Der Mais hat alles vernichtet - inklusive Monsanto. Hier und da leuchtet es lebhaft gelb; es ist transgener, Dauer blühender Raps von Universal Seed, der mit dem Wind aus Oklahoma herübergekommen und nicht auszurotten ist - der Vorbote einer neuerlichen, nicht vorhersehbaren Invasion. Beschädigte Straßen sind zu sehen, verlassene Dörfer, einsam in der Wildnis kampierende Outer und ausgetrocknete Seen und Flüsse - mit Ausnahme des Kansas River. Der jedoch gluckert, erstickt von Riesenalgen, nur noch als dürftiges Rinnsal vor sich hin. Die Hitze - selbst für einen Indian Summer ist es viel zu heiß - lastet mit einem bleiernen Himmel über dem Land. Im Westen türmen sich quellende, von Blitzen durchzuckte, dunkelgraue Haufenwolken, aus deren Bäuchen Tornados geboren werden.
»Sind Sie sicher, dass wir rechtzeitig ankommen?«, fragt Fuller den Hubschrauberpiloten inzwischen schon zum dritten Mal.
»Ganz sicher«, antwortet der Pilot, bemüht, seine Gereiztheit zu verbergen.
Aus den Augenwinkeln beobachtet er die näher kommenden Wolkenberge über den Flint Hills; sie türmen sich beängstigend hoch auf und sind schwarz wie eine Winternacht. Eine Stunde wird es etwa noch dauern, so schätzt er, bis das Gewitter die Region erreicht. Bis zu ihrem Ziel, der Ranch von John Bournemouth in Council Grove, brauchen sie jedoch höchstens noch zwanzig Minuten. Kein Grund also, sich Sorgen zu machen.
Fuller hingegen betrachtet die dräuende Wolkenwand mit gewissen Befürchtungen, was ihn daran hindert, sich auf die Überlegungen zu seinem bevorstehenden Gespräch mit John Bournemouth zu konzentrieren. Auch wenn er mitten im »Tornado-Korridor« geboren ist, Dutzende Wirbelstürme gesehen und mehrere selbst miterlebt hat - er würde sich nie an dieses extremste Wetterphänomen der Erde gewöhnen können, das ihm jedes Mal erneut grässliche Angst bereitet. Der Tornado, der da im Anmarsch ist, vernichtet vielleicht jetzt gerade Florence oder Marion und könnte ganz schnell näher kommen. Ist nicht sogar schon das charakteristische Pfeifen über dem Dröhnen des Rotors zu hören?
Doch sein Pilot behält recht. Sie landen lange vor dem Gewitter. Fuller hört lediglich ein fernes Donnergrollen über den Flint Hills. Der leicht auffrischende Wind sorgt in der Backofenhitze sogar für ein wenig Erfrischung. Langsam bedeckt sich der Himmel. Mit etwas Glück werden ein paar Regentropfen fallen, der Hagel aber ausbleiben und weder Häuser dem Erdboden gleichgemacht noch Felder verwüstet werden.
John Bournemouth heißt seinen Gast höchstpersönlich auf der Freitreppe vor seiner Ranch willkommen. Einer der Boys bringt den Hubschrauber in den gepanzerten und mit Druckausgleich ausgestatteten Anti-Tornado-Hangar, wo auch das Privatflugzeug und die drei Autos seines Chefs stehen.
Der Gouverneur von Kansas besitzt ein Gut von zehntausend Hektar Land in der Nähe von Council Grove, das früher einmal dreißigtausend Kühe ernährte und fünfzehntausend Tonnen Terminator™-Mais produzierte. Bewässert wurde das Ganze mit Wasser, das man ohne jeden Skrupel einfach dem Vorratsbecken des Neoshosees entnahm. Die Austrocknung des Flusses, die durch Dürre und transgenen Mais verursachten Schäden sowie all
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