Öffne deine Seele (German Edition)
Elbtunnels in eine Kette gedämpfter Bremslichter.
Merz hatte noch nie auf dem Beifahrersitz seines eigenen Wagens gesessen.
Doch, dachte er. Einen Präzedenzfall gab es, doch dieser hatte eigenen Gesetzen gehorcht. Der Wagen hatte gestanden.
Und Merz hatte zwar tatsächlich auf dem Beifahrersitz gesessen, während Hannah ihrerseits allerdings …
Er schüttelte vorsichtig den Kopf.
Sein Schädel pochte. Seitdem er sich aus dem Dolormin-Vorrat im Handschuhfach bedient hatte, war es zu ertragen, doch ihm war bewusst, dass er ganz entschieden nicht in Form war, weder intellektuell noch körperlich.
Und das gefiel ihm nicht.
Ganz zu schweigen von dem Umstand, wer gerade am Steuer seines Jaguar saß.
Die Situation war so bizarr, wie ihm sein Vorgehen logisch erschienen war, nachdem er festgestellt hatte, dass die Telefonverbindung in die Schwarzen Berge offenbar tot war.
Handys duldete Marius nicht bei seinen Mitarbeitern. Aus weltanschaulichen Gründen, die nachzuvollziehen Merz niemals eine Notwendigkeit verspürt hatte.
Wenn er wissen wollte, ob sich Hannah tatsächlich auf dem Anwesen aufhielt, blieb ihm nur die Möglichkeit, sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen.
Der einzige Schönheitsfehler war, dass er gegenwärtig eindeutig nicht in der Verfassung war, sich ans Steuer zu setzen.
Anders als Dennis.
Merz hatte sich entschieden, über das Fahrtziel einstweilen keine genaueren Angaben zu machen.
Sie suchten nach Hannah, das schien dem Mann auszureichen. Vermutlich war er schon zufrieden, überhaupt etwas tun zu können, und sei es eine Fahrt ins Blaue.
Oder in eine nachtschwarze Hölle aus strömendem Regen.
Ausfahrt Waltershof.
Einsatzwagen der Polizei kamen ihnen entgegen, die mit Blaulicht in die Ausfahrt rasten, Richtung Köhlbrandbrücke.
Nichts, das mit ihnen zu tun hatte.
Vermutlich hat es nichts mit uns zu tun, dachte Merz.
Denn was wusste er schon mit Sicherheit?
Da war nichts als ein dumpfes Gefühl. Das Gefühl, dass ihm der Mann am Steuer etwas verschwieg.
Merz zögerte nicht länger. Er war sich sicher, dass Dennis Friedrichs ein Mensch war, bei dem man mit direkten Fragen noch am ehesten Aufschlüsse erhalten konnte.
«Hatten Sie gestern eigentlich Streit miteinander, Hannah und Sie?», erkundigte er sich im Plauderton.
Dennis Friedrichs drehte sich so ruckartig herum, dass der Wagen für einen Moment aus der Spur geriet.
«He!» Der Anwalt hob die Hände. «Ganz ruhig. Es war einfach nur eine Frage.»
«Was geht Sie das an, ob wir Streit hatten?»
Merz hob die Schultern. Hannahs Ehemann hatte den Wagen bereits wieder unter Kontrolle.
«Wenn Sie möchten, dass ich Ihnen helfe, wird Ihnen kaum etwas anderes übrig bleiben, als mir die eine oder andere Auskunft zu geben», erklärte der Anwalt.
« Sie? » Dennis spuckte das Wort beinahe aus. « Mir helfen?»
Merz betrachtete seine Fingernägel. «Das ist es, womit ich gegenwärtig beschäftigt bin. Wir bemühen uns, herauszufinden, wo Ihre Frau geblieben ist, damit sie zu Ihnen zurückkommt. Oder täusche ich mich da?»
Dennis knurrte etwas Unfeines. Der Anwalt beschloss, es zu überhören.
«Hatten Sie Streit?», wiederholte er ruhig.
«Das spielt keine Rolle», brummte Dennis. «Selbst wenn es so war, war das längst wieder in Ordnung. Deshalb ist sie nicht verschwunden.»
«Und worum ging es bei dieser Auseinandersetzung, das längst wieder in Ordnung ist?», erkundigte sich Merz.
«Wir hatten keine verdammte Auseinandersetzung!»
«Wie Sie es nennen, ist im Grunde unerheblich. Anders als der Anlass.»
«Gehört das zu Ihrem Job, dieses geschwollene Gequatsche? Oder reden Sie immer so?»
Merz stieß den Atem aus. Seine Nase pochte. «Ich bemühe mich um eine möglichst präzise Ausdrucksweise, damit selbst Sie mir folgen können. Was war der Gegenstand Ihres Disputs? Ihr Auftritt bei Marius?»
War ich es?, dachte er.
Hannahs Ehemann umklammerte das Steuer, als wollte er ein Stück herausbrechen.
«Was glauben Sie denn?», knurrte er. «Was glauben Sie denn, wie sich das anfühlt, wenn die eigene Ehefrau vor laufender Kamera mit diesem Kerl über ihre Bettgeschichten plaudert?»
Der Anwalt hob die Augenbrauen. «Diesen Teil scheine ich verpasst zu haben.»
«Den konnten Sie auch verpassen! Ein Mensch, der sich in unser Leben drängt … » Ein finsterer Seitenblick zu Merz. «Wenn das nicht deutlich war, was dann?»
Der Anwalt schwieg, atmete ein, dann langsam wieder aus. Schon jetzt fühlte seine Kehle
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