Öffne deine Seele (German Edition)
um.
«Edel», murmelte er. «Und wenn man hundert Mal auf dem Ehestorfer Heuweg vorbeifährt: Kein Mensch ahnt, dass hier so ein Palast steht.»
Merz nickte. Tatsächlich gehörte das zu seinen Hauptaufgaben für den Mandanten Marius Soppeldt: einstweilige Verfügungen gegen fanatische Anhänger oder andere Irre, die sich durchs Unterholz auf den Weg machten, weil sie partout wissen wollten, wie der Moderator von Second Chance eigentlich lebte.
Zwei Wachmänner patrouillierten rund um die Uhr in der Umgebung des Hauses, doch auch das war keine Garantie, dass niemand dem Gebäudekomplex zu nahe kam.
Am effektivsten Wachhund allerdings mussten auch der Anwalt und sein Begleiter erst noch vorbei.
«Herr Dr. Merz.»
Merkatz wartete direkt hinter der Tür im Foyer, zwischen den Regalen der Bibliothek. Sie gab sich gar nicht die Mühe, so zu tun, als hätte sie irgendwas gelesen oder nach einem Buch gesucht. Der Wachmann am Tor musste ihr umgehend Meldung gegeben haben.
«Frau von Merkatz! Welch unerwartetes Vergnügen!» Merz schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln, obwohl er wusste, dass bei dieser Frau jede Form von Bestechung aussichtslos war.
«Mir war gar nicht klar, dass Sie heute Abend einen Termin mit Marius haben», bemerkte die Assistentin. Die Spitze in ihrem Tonfall war dermaßen unüberhörbar, dass Merz sich die Antwort schenkte.
Mit einem Nicken ließ er die Frau stehen, hörte, wie Dennis sie grüßte. Ein Gruß, der nicht erwidert wurde.
Dann waren sie vorbei.
«Die Bude ist ja schon unheimlich genug», murmelte Dennis nach ein paar Sekunden. «Aber die Frau schlägt das noch mal.»
«Eine Löwenmutter, die ihr Junges verteidigt», erklärte Merz mit gedämpfter Stimme. «Doch glücklicherweise weiß ich, wo Marius zu diesem Zeitpunkt, eine halbe Stunde vor Beginn der Sendung, zu finden ist.»
Ein warnendes Licht glomm über der Tür des Aufnahmestudios. Entsprechende Leuchten gab es vermutlich an jedem Studio der Welt – mit dem Unterschied, dass sie anderswo erst aktiviert wurden, wenn man auf Sendung ging.
In diesem Fall bedeutete das Lichtzeichen, dass Marius auf seinem Stuhl Platz genommen hatte. Lichtprobe. Tonprobe.
Merz wusste, was zu tun war.
Er drückte auf den Lichtschalter. Sofort legte sich dunkles Zwielicht über den Korridor. Nur noch die schmalen, blau glimmenden Bodenleisten gaben etwas Helligkeit.
Er klopfte.
«Kommen Sie nur rein, mein lieber Dr. Merz!»
Einen Moment lang war der Anwalt irritiert. Doch Marius liebte diese simplen Spielchen.
Nein, der Moderator hatte nicht mit irgendeiner übersinnlichen Gabe erkannt, wer draußen auf dem Korridor stand.
Er hatte Nachricht bekommen, nicht anders als Merkatz auch.
Merz öffnete und brauchte wie immer mehrere Sekunden, um sich an das Licht – oder faktisch an die weitestgehende Abwesenheit von Licht – zu gewöhnen.
Der Moderator hätte nicht einmal diese Ahnung von Helligkeit gebraucht. Schon der Spot, der seine Hände beleuchtete, war ein Zugeständnis an die Fernsehzuschauer.
«Bitte, meine Herren.» Marius machte eine einladende Handbewegung.
Im nächsten Moment spürte der Anwalt ein winziges, unbewusstes Zögern.
Der Verband über seiner Nase.
So viel sieht er also doch, dachte Merz. Und offenbar war sein Mandant nicht auf sein verändertes Erscheinungsbild vorbereitet worden.
«Bitte», wiederholte Marius und wies auf zwei Stühle. «Wie ich feststelle, haben Sie einen Begleiter mitgebracht.»
Er wäre nicht Marius gewesen, wenn sich nicht selbst diese Offensichtlichkeit aus seinem Mund angehört hätte wie eine bahnbrechende Erkenntnis.
«Marius, ich komme heute mit einer privaten Bitte zu Ihnen», eröffnete Merz das Gespräch, ohne auf die Bemerkung einzugehen.
Marius antwortete nicht. Sein Gesicht war wie immer nicht mehr als eine Silhouette. Eine Silhouette, die sich überdeutlich in Richtung Dennis gedreht hatte und in dieser Haltung verharrte.
«Mein Name ist Dennis Friedrichs», sagte Hannahs Ehemann. «Sie haben sich vorgestern mit meiner Frau unterhalten.»
«Ah!»
Jetzt kam Bewegung in Marius’ Gestalt.
«Es sind, das muss ich sagen, Tage voller Überraschungen. Mein lieber Freund Parsifal!»
Merz kniff die Augen zusammen und sah zwischen den beiden Männern hin und her.
«Ich gestehe, dass ich viel über unser Gespräch nachgedacht habe, mein Freund», erklärte der Moderator. «Unser einziges Gespräch, wie ich bedauerlicherweise sagen muss. Ich war doch zu neugierig,
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