Öffne deine Seele (German Edition)
mich in der Sendung an sie zu wenden.»
«An wen?», knurrte Dennis. «An Helena ?»
Dieses eine Mal musste Merz ihm recht geben.
Falls Hannah tatsächlich aus eigenem Antrieb verschwunden war, weil sie Abstand brauchte, war ein Aufruf in Marius’ Sendung das Letzte, das sie dazu bewegen würde, mit ihm oder Dennis Kontakt aufzunehmen.
Falls sie dagegen nicht aus eigenem Antrieb verschwunden war …
Es war dunkel im Raum. Die beiden anderen Männer konnten nicht sehen, wie Joachim Merz in seinem Stuhl zusammensank.
Das Spiel war aus.
Nein, er war kein Vabanquespieler, und doch hatte er den ganzen Einsatz auf diesen Moment, auf das Gespräch mit Marius gesetzt.
Hannah war nicht hier.
Dennis und er hatten alle ihre Möglichkeiten ausgereizt. Jede weitere Minute konnte eine Minute zu viel sein. Es gab keine harmlose Erklärung.
Sie mussten das Kommissariat informieren. Wenn Dennis weiterhin den Versuch machte, sich dagegen zu wehren, musste Merz im Alleingang handeln. Sie durften nicht länger warten.
«Noch zehn Sekunden», tönte Folkmars Stimme aus dem Lautsprecher.
Merz machte Anstalten, sich zu erheben.
«Moment …» Eine kurze Geste von Marius.
Merz verstand. Ein paar Sekunden noch. Wenn die Sendung erst im Gange war, war es unauffälliger möglich, den Raum zu verlassen.
Ein schwacher, bewegter Lichtschimmer erwachte im Rücken der Besucher. Ein Kontrollmonitor. Irgendwann einmal hatte Marius dem Anwalt die aufwendige Farbfiltertechnik erläutert, die es ihm erlaubte, das Geschehen auf diesem speziellen Bildschirm zu verfolgen.
«Fünf, vier, drei, zwei, eins …»
Unter dem Tisch wechselte eine Diode von Rot auf Grün.
Marius legte die Hände übereinander, jetzt voll auf die Kamera konzentriert.
«Ich begrüße euch, meine Freun…»
Der Moderator brach ab und beugte sich ruckartig nach vorn.
Im selben Moment erklang eine andere Stimme: blechern, künstlich, roboterhaft.
«Vergib mir, Marius, aber leider bin ich gezwungen, dich zu unterbrechen. Du hast etwas vergessen.»
«Was im Himmel …» Der Moderator hatte sich halb erhoben, so weit, dass ein Teil seines kalkweißen Gesichts in die Lichtbahn des Spots geriet.
Merz war schon auf den Beinen.
Der Monitor!
Er spürte, wie sich seine Kehle zusammenschnürte.
***
Die Anweisung zum Zugriff erfolgte um einundzwanzig Uhr vierundvierzig.
Jörg Albrecht verfolgte die Vorgänge über die Monitore des Führungsfahrzeugs und begleitete sie mit einer Reihe von Flüchen.
Es gab eine Reihe polizeilicher Dienstanweisungen, gegen die er einen ausgeprägten Widerwillen hegte. Die Direktive, die ihn als Leiter des Einsatzes zum Zuschauen verdammte, stand ganz weit oben auf dieser Liste.
Er hatte sich nur bemühen können, im Vorfeld alle Möglichkeiten und Unmöglichkeiten in seine Erwägungen einzubeziehen.
Zur Straße hin ließ sich das Mietshaus mühelos absichern. Das Souterrain hatte einen separaten Zugang von außen, sodass auch für die Bewohner in den weiter oben gelegenen Wohnungen keine Gefahr bestand. Zur Vorsicht hatte Albrecht einen seiner Männer in den Hausflur abgestellt.
Das größte Problem stellte die rückwärtige Seite des Gebäudes dar. Von der Straße aus unsichtbar, gab es dort eine kleine Parkanlage, einen Spielplatz, dahinter Kleingärten. Unübersichtliches Terrain, auf hundert Wegen zugänglich, sowohl von den angrenzenden Gebäuden als auch von zwei der Nachbarstraßen aus.
Albrecht hatte entschieden, dass der Zugriff von dieser Seite, durch den Hintereingang, erfolgen sollte. Auf der Straßenseite würde sich währenddessen Faber mit vier Beamten bereithalten, falls einer der Täter versuchen sollte, auf diesem Weg zu fliehen.
Albrecht rechnete fest damit, dass es dazu kommen würde.
Einundzwanzig Uhr vierundvierzig.
Er betrachtete ein verwackeltes Bild, das den Hinterkopf des jungen Lehmann zeigte und über dessen Schulter hinweg eine Metalltür, von der der Lack blätterte.
Die Faust des Hauptmeisters hieb auf das Metall.
«Kriminalpolizei! Öffnen Sie die Tür!»
Stille.
Lehmann hob erneut den Arm.
In diesem Moment geschah es. Das unverwechselbare Geräusch eines Schusses. Kurz, heftig, dumpf.
Albrecht begriff sofort, dass es nicht über die Lautsprecher gekommen war.
«Was zum …»
Seine Augen huschten über die Monitore:
Lehmann trat einen Schritt von der Tür zurück und richtete die Waffe auf das Schloss.
Die Beamten, die sich auf der Straße verborgen hatten, näherten sich jetzt im
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