Öffne deine Seele (German Edition)
er ihn aufmerksam betrachtet.
«Die Zeit, die wir haben, haben wir ganz und gar», sagt Dennis. «Und dann sind wir nicht nur sie und ich, sondern wir sind wir . Unser Leben, das wir uns zusammen aufgebaut haben, und das …» Noch leiser. «Das will ich um keinen Preis verlieren. Ich …»
Ich spüre seinen Blick und weiß, dass er in diesem Moment auf die Kamera gerichtet ist, die heute keine Bilder nach außen überträgt.
Dieser Blick ist nur für mich.
Oh, Dennis. Ich verdiene dich nicht!
«Ich will dich nicht verlieren, Hannah.»
«Chapeau», murmelt Marius. «Das nenne ich stark. Das nenne ich vor allem ehrlich . So wünsche ich mir meine Freunde.» Einen Moment muss er sich sammeln, bevor er wieder ansetzt.
«Liebe also. Liebe, meine Freunde, kann zuweilen den schwersten Anfechtungen widerstehen. Romeo und Julia haben sich selbst vom Hass ihrer versammelten Sippschaften nicht unterkriegen lassen. Andererseits sind sie bekanntlich nie so weit gekommen, sich darüber zu streiten, wer das Geschirr abspülen oder den Müll raustragen muss. Wann bist du abends so zu Hause, Dennis?»
«Halb sieben. Spätestens um sieben.»
«Oh, das klingt ja gar nicht so schlecht. Und dann machst du ein romantisches Feuerchen im Kamin für deine Liebste? Rotwein auf dem Tigerfell und …»
«Du weißt, dass das Blödsinn ist.»
Schweigen. Schließlich ein Seufzen.
«Richtig, Dennis. Ich weiß, dass das Blödsinn ist. Und warum weiß ich das so genau? Weil wir exakt dieselbe Geschichte heute Abend schon einmal gehört haben, von Hannah nämlich. Wie war das noch in diesem wunderhübschen Häuschen, das sich ihr braver Herr Vater von seinem kargen Streckenplanerstellerlohn abgeknapst hatte? Das Haus ist da – der Herr des Hauses aber glänzt durch Abwesenheit. Und wild und leidenschaftlich … Ach, kalter Kaffee.»
«Das …» Die Lichter vor meinen Augen werden einen Moment lang greller. Ich spüre, wie die Wirklichkeit mir entgleitet.
Die Betäubung. Die Folter. Die unglaubliche Situation.
Das kann nicht wirklich sein. Wir reden über Dinge, die … Ich habe keine Worte dafür.
Und eineinhalb Millionen Menschen hören zu!
«Das ist nicht wahr», bringe ich hervor.
«Nicht?» Marius klingt lauernd. «Unser Freund Dennis bringt also nicht jeden Abend Arbeit mit nach Hause und arbeitet so lange, dass du ihn manchmal morgens halb ohnmächtig am Küchentisch findest? Nein, natürlich nicht. Sobald du nach Hause kommst, fegt er seine Akten und Immobilienexposés vom Tisch, packt dich an den Hüften, fesselt dich an die Tischbeine und …»
«Ja!» Ein plötzlicher Husten schüttelt mich, meine Hände ballen sich zu Fäusten. «Du wirst es nicht glauben, aber genau das ist sogar vorgekommen.» Leiser. «Ein oder zwei Mal.»
«Oho.» Der Moderator schnalzt mit der Zunge. «Gewagt, gewagt. Und wann?»
Schweigen.
Ein tiefer Seufzer. «Wie vermutet also. Leider, leider wie vermutet.»
Wieder verstummt er. Und diesmal weiß ich, dass es endgültig ist.
Es ist durchgestanden. Dennis hat gesprochen. Eine Schwäche ergreift von mir Besitz, die fast keine Grenzen kennt.
Doch etwas hindert mich. Ich kann nicht vollständig davonschwimmen, in diese Schwäche, die einer Ohnmacht nahekommt.
Mein Ehemann hat seine Seele geöffnet.
Marius scheint mit dem Ergebnis zufrieden zu sein, und tatsächlich hat Dennis sehr viel mehr gesagt, als wir beide miteinander aussprechen könnten.
Und doch ist da etwas … Ich versuche danach zu greifen, doch …
Ich kann es nicht denken. Nein, nicht jetzt, nicht hier.
Jetzt daran zu denken würde bedeuten, alles in Frage zu stellen. Alles, was ich bin und fühle, alles, was wir beide, Dennis und ich, sind. Selbst wenn ich das hier überleben sollte: Ich könnte nicht wieder zurückkommen.
Zu uns.
Zu mir.
Wieder ich selbst sein und weiterleben, als wäre alles in Ordnung, nur weil das hier vorbei ist.
Hat Marius meine Schwäche erkannt?
Hat er erkannt, wie schwer mein Gleichgewicht erschüttert ist?
Dann nützt er den Moment meiner größten Schwäche gnadenlos aus.
«Und in diesem Vorstadtidyll voll biederer Streb- und Sittsamkeit …», erklärt er gut gelaunt. «In diesem freundlichen Szenario erscheint nun dieser Mann: Dr. Joachim Merz.»
***
Jörg Albrecht massierte sich die Nasenwurzel. Er spürte, dass er der Auflösung ganz nahe war, nur noch wie durch einen Schleier von der Wahrheit getrennt, hauchdünn und doch absolut undurchdringlich.
Der Täter war in der
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